Herzlichen Dank für Ihr Interesse an dem Aufbau einer Beratungstheke in Ihrer Gemeinde. Mit dieser Anleitung wollen wir Sie dabei unterstützen.
Die Anleitung orientiert sich an der zeitlichen Abfolge beim Aufbau einer Digitaltheke. Sie kann als Ganzes gelesen werden, oder Sie können sich einzelne, für Sie relevante Punkte in der Gliederung links herausgreifen:
Kapitel 1: Motivation und Argumente für eine Digitaltheke
Kapitel 2: Rahmenbedingungen für die Organisation einer Digitaltheke
Die Materialien wurden von uns im Rahmen des Projekts „zusammen digital“ vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis erstellt und ist gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Digitales. Ein besonderer Dank gilt allen “zusammen digital“-Kommunen für die großartige Zusammenarbeit. Die Anleitung kann frei genutzt werden. Wir bitten jedoch um die Nennung der Quelle. Details dazu finden Sie im Anhang.
Viel Erfolg beim Aufbau wünschen Thomas Kupser & Elif Binici (Projektteam „zusammen digital“)
1. Digitale Teilhabe fördern
Digitalisierung betrifft uns alle – aber nicht alle können gleichermaßen daran teilhaben Der Zugang zu digitalen Angeboten ist essenziell für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Die „zusammen digital“-Theke schafft vor Ort ein niedrigschwelliges Angebot, das Menschen die Teilhabe an der digitalisierten Welt erleichtert und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt.
Zusammen für mehr digitale Teilhabe! Die Digitalisierung hat längst Einzug in alle Lebensbereiche gehalten. Ob Kontaktpflege, Bankgeschäfte oder der Kauf eines Fahrscheins – alle Bürgerinnen und Bürger benötigen digitale Grundkenntnisse, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Das bedeutet: Digitale Teilhabe bedeutet heute mehr denn je soziale Teilhabe. Deshalb sorgen wir mit der Initiative zusammen digital dafür, dass alle Menschen, die Hilfe bei Internet- und Smartphone-Themen benötigen, ohne Hürden und Hemmschwellen Unterstützung erhalten. Mir liegt am Herzen, dass alle Bürgerinnen und Bürger Bayerns von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren! Ihr Dr. Fabian Mehring Bayerischer Staatsminister für Digitales
> Argumente
Digitale Teilhabe ist soziale Teilhabe
Ohne Zugang zu digitalen Angeboten droht vielen Menschen der Ausschluss aus zentralen Lebensbereichen wie Verwaltung, Gesundheit, Mobilität oder Kommunikation. Mit einer Beratungstheke wird digitale Teilhabe für alle möglich gemacht.
Digitale Verwaltung braucht digitale Kompetenz
Digitale Verwaltungsangebote, digitale Anträge oder Bürgerportale können nur genutzt werden, wenn Menschen sie verstehen und anwenden können. Beratungstheken erleichtern den Zugang zu kommunalen Online-Services und entlasten gleichzeitig das Verwaltungspersonal. Das erworbene Wissen kann direkt in Bürgerportalen der Kommune erprobt werden.
Kommunen und lokale Träger kennen die Menschen vor Ort
Kommunen und lokale Träger verfügen über einen direkten Zugang zu den Zielgruppen, die besonders auf Unterstützung angewiesen sind, z.B. ältere Menschen oder Menschen mit geringeren sozialen und ökonomischen Chancen. Sie kennen deren Lebensrealitäten und Bedarfe und sind in der Lage niedrigschwellige und wohnortnahe Anlaufstellen zu schaffen, wie etwa in Rathäusern, Bibliotheken oder Bürgerzentren.
Beratung holt Menschen dort ab, wo sie stehen
Nicht alle starten mit dem gleichen Vorwissen oder der gleichen Sicherheit im Umgang mit digitalen Medien. Einzelberatungen ermöglichen es, individuell auf Fragen, Unsicherheiten oder Ängste der Menschen einzugehen. So können digitale Einsteiger:innen digitale Kompetenzen in einem geschützten und vertrauensvollen Rahmen aufbauen.
Moderne Daseinsvorsorge umfasst auch digitale Unterstützung
Zur zeitgemäßen Daseinsvorsorge gehören heute nicht nur Straßen, Wasser und Bildung – sondern auch der Zugang zur digitalen Infrastruktur. Kommunen tragen folglich die Verantwortung, sicherzustellen, dass niemand im digitalen Wandel abgehängt wird. Beratungstheken schließen diese Lücke, indem sie Menschen befähigen, digitale Angebote selbstständig und sicher im Alltag zu nutzen.
Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts
Beratungstheken fördern Begegnungen, generationenübergreifenden Austausch und gegenseitige Hilfe. So tragen sie dazu bei, Isolation, Überforderung und soziale Ungleichheiten vor Ort zu verringern und das Gemeinwesen zu stärken. Zudem wirken die Theken über die Beratung hinaus: Sie fördern informelles Lernen, motivieren zur weiteren Bildung und unterstützen Engagierte, ihr Wissen weiterzugeben.
Steigerung der Attraktivität vor Ort
Kommunen und Einrichtungen, die innovative und bürgernahe Unterstützungsangebote verankern, zeigen, dass sie zukunftsorientiert handeln und die Bedürfnisse der Menschen vor Ort ernst nehmen. Das macht den Standort lebenswerter und attraktiver für alle.
„Der digitale Wandel ist mehr als technischer Fortschritt – er formt die Gesellschaft und stellt uns vor die Aufgabe, ihn aktiv und inklusiv zu gestalten. Um sicherzustellen, dass alle Bürger*innen von den Chancen profitieren können, ist es wichtig, ihren Zugang zur digitalen Welt, ihr Nutzungsverhalten, ihre digitalen Kompetenzen sowie ihre Einstellung zum digitalen Wandel zu messen. So können wir Spaltungen erkennen und Resilienz im digitalen Wandel gezielt stärken. Unterschiedliche Herangehensweisen beeinflussen maßgeblich, ob Menschen vom technologischen Fortschritt profitieren können. Sie zu verstehen, hilft uns, Polarisierung und wachsende Ungleichheit zu vermeiden und die Zukunfts fähigkeit der Gesellschaft zu sichern.”
D21-Digital Index 2024/2025
> Konzept „zusammen digital“-Theke
Das Ziel von „zusammen digital“ ist es, dass an möglichst vielen Orten Beratungstheken zu digitalen Themen eingerichtet werden. Diese sind wichtig, da viele Menschen Hilfe mit dem Internet, dem Handy oder dem Tablet benötigen und es bisher wenige Anlaufstellen für diese Bedarfe gibt. In Einzelberatungen werden Menschen befähigt, sicherer im Umgang mit digitalen Anwendungen zu werden, zum Beispiel beim Ausfüllen von Online-Formularen oder bei der Nutzung von Apps. Das hilft vor allem älteren Menschen sowie Personen, die bislang wenig Erfahrung im Umgang mit Technik haben.
Die Beratung wird bei „zusammen digital“ meist von jungen Menschen im Alter von 12 bis 27 Jahren durchgeführt. Damit fördern wir den Generationendialog und nutzen die digitale Expertise junger Menschen. Gleichzeitig ermöglichen wir Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine aktive gesellschaftliche Rolle einzunehmen und schaffen damit ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit. Einige Kommunen haben den Kreis der Beratenden auf Erwachsene über 27 Jahre ausgeweitet, um ein größeres Angebot zu schaffen und ein vielfältigeres Unterstützungsnetz zu ermöglichen. Beide Wege sind möglich und erfolgsversprechend.
Einzelberatung
Bei „zusammen digital“ wird kein Kurs, sondern eine individuelle Eins-zu-eins-Beratung angeboten. So kann flexibel und gezielt auf den jeweiligen Wissensstand, die Fragen und Bedürfnisse jeder einzelnen Person eingegangen werden. Da jeder Mensch in einem eigenen Tempo lernt und unterschiedliche Erfahrungen mitbringt, setzt die Beratung genau dort an, wo Unterstützung gebraucht wird. So fühlen sich die Teilnehmenden gut aufgehoben und erhalten eine passgenaue Förderung. Dies ist bei einem Kurs mit Besuchenden mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten kaum möglich.
Niedrigschwellig
Das Beratungsangebot bei „zusammen digital“ ist bewusst ohne Anmeldung, einfach und barrierearm gestaltet. So können möglichst viele Menschen erreicht werden. Es berücksichtigt, dass Schwierigkeiten im Umgang mit digitalen Medien nicht nur aus persönlichen Unsicherheiten entstehen, sondern auch durch strukturelle Barrieren wie fehlende Zugänge, ungleiche Bildungschancen oder soziale Ausgrenzung. Deshalb ist es wichtig, individuelle Lebenslagen ernst zu nehmen und jeder Person offen, flexibel und vorurteilsbewusst zu begegnen. Die Teilnahme soll unkompliziert, unaufwändig und ohne Vorkenntnisse möglich sein.
Hilfe zur Selbsthilfe
Die Beratung ist handlungsorientiert: Teilnehmende nutzen selbst ihre Geräte, probieren Funktionen aus und suchen gemeinsam Lösungen. Dabei bringen sie eigene Lernziele und Vorstellungen mit. Ängste und Unsicherheiten werden ernst genommen. Mit gezielter Unterstützung wird das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gestärkt, Eigenständigkeit gefördert und kritisches Reflektieren angeregt. Ziel ist es, zum Ausprobieren zu ermutigen, den Selbstwert zu stärken und Netzwerke zu fördern. Das Angebot ersetzt keinen technischen Service, sondern befähigt zur eigenständigen Nutzung.
Zusammengefasst: Die Kommune ist der Ort, an dem gesellschaftliche Realität gestaltet wird – analog wie digital. Eine Beratungstheke zur digitalen Teilhabe ist ein zeitgemäßes, wirkungsvolles Mittel, um Teilhabe, Bildung und sozialen Zusammenhalt vor Ort zu fördern. Die Theke hilft, diesen Wandel lokal, aktiv und solidarisch zu gestalten, statt ihn passiv geschehen zu lassen. Kommunen, die heute handeln, vermeiden zukünftige digitale Spaltung und soziale Ungleichheit. Die individuelle Beratung schafft Sicherheit in einem Feld, das viele als überfordernd erleben.
2. Rahmenbedingungen
Im Laufe der „zusammen digital“-Projektzeit haben wir gemeinsam mit den beteiligen Kommunen Erfahrungen für den Aufbau und Betrieb von Beratungstheken gesammelt.
> Koordinationsstelle
Wesentlich für den Erfolg ist eine feste Ansprechperson, die das Projekt sowohl inhaltlich als auch organisatorisch verantwortet und nach außen sichtbar macht. Sie strukturiert Abläufe, spricht potenzielle Ehrenamtliche gezielt an, koordiniert den Einsatz der Beratenden. Sie sorgt zudem für einen reibungslosen Austausch zwischen Ehrenamtlichen, Verwaltung und Projektpartner:innen. Alternativ kann diese Rolle auch von einem kleinen Team übernommen werden. Auch die Öffentlichkeitsarbeit wird durch diese Stelle maßgeblich unterstützt. Fehlt eine solche klare und verlässliche Koordination, fällt es vielen Kommunen schwer, die digitale Theke langfristig zu etablieren.
Der Aufbau einer Theke kann anfangs herausfordernd sein, zum Beispiel durch räumliche Engpässe, Überlastung, Personalfluktuation oder fehlende Unterstützung durch politische Entscheidungsträger:innen. Die Koordination muss diese Herausforderungen managen und den Stellenwert des Projekts lokal sichtbar machen. Zudem ist Sie für die wertschätzende Betreuung der Beratenden zuständig.
Tipps
Aufwand und Ressourcen realistisch planen
In vielen Kommunen sind die personellen Kapazitäten bereits stark ausgelastet, sodass zusätzliche Aufgaben gut geplant und koordiniert werden müssen. Wenn Auszubildende für bestimmte Aufgaben freigestellt werden sollen, entsteht zusätzlicher Abstimmungsbedarf. Besonders bei minderjährigen Beratenden braucht es klare Regelungen zur Aufsicht und gegebenenfalls pädagogische Begleitung.
Auch bei einer überwiegend ehrenamtlichen Struktur muss der organisatorische Aufwand realistisch eingeschätzt werden. Damit das Angebot zuverlässig funktioniert, braucht es mindestens eine feste Person, die die Koordination übernimmt und als kontinuierliche Anlaufstelle für alle Beteiligten zur Verfügung steht. Diese Rolle ist entscheidend, um Abläufe zu steuern, den Überblick zu behalten und bei Fragen oder Problemen erreichbar zu sein.
Nutzung von digitalen Tools
Eine effiziente Organisation lässt sich durch Messenger-Dienste, wie WhatsApp-Gruppen oder vergleichbare Plattformen erleichtern. So bleiben alle Beteiligten in engem Austausch, Absprachen laufen transparent und Informationen gehen seltener verloren. Auch klar strukturierte Schichtpläne tragen zur Verlässlichkeit bei, da jederzeit ersichtlich ist, wer wann im Einsatz ist. Erinnerungen kurz vor den Terminen, besonders bei längerfristig geplanten, helfen zusätzlich bei der Orientierung.
Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage
In der Praxis kann es vorkommen, dass zu viele/zu wenige Ratsuchende das Angebot nutzen oder zu viele/zu wenige Beratende gleichzeitig aktiv sind. Heftige Schwankungen können die Motivation senken. Öffentlichkeitsarbeit und gezielte Bewerbung in beiden Zielgruppen helfen, hier eine bessere Balance herzustellen.
Feedback einholen
Um das Konzept der digitalen Beratungstheke langfristig wirksam, inklusiv und bedarfsorientiert zu gestalten, muss es stetig reflektiert und weiterentwickelt werden. Dafür ist es essenziell, die Bedarfe vor Ort regelmäßig abzufragen und von den Besuchenden Feedback zu bekommen. Grundlage dafür ist es, als Organisationsstelle mit den Menschen vor Ort im Gespräch zu bleiben.
Beispiel: Memmingen
Daten: kreisfreie Stadt in Schwaben, ca. 46.000 Einwohner:innen
Thekenort: MehrGenerationenHaus Memmingen
Öffnungszeiten: Jdienstags, 9–11:00 Uhr
Akteure: Digitalisierungsbeauftragte der Stadt, Seniorenbeauftragte, MehrGenerationenHaus Memmingen, VHS Memmingen
Motivation: „Insbesondere älteren oder weniger technikaffinen Menschen den Zugang zu digitalen Diensten und neuen Technologien zu erleichtern und damit gleichzeitig den Austausch zwischen Jung und Alt zu fördern.“
Beratende: Auszubildende der Stadt
Entlohnung Beratende: Auszubildende der Stadt innerhalb deren Arbeitszeit
Durchschnitt Besuchende: ca. 5 pro Termin
Besonderheiten: ThekenTour um herauszufinden, wo die Theke am besten angenommen wird. Haben eine „echte“ transportable Theke in Nutzung, Aktionstage in Senioreneinrichtungen
Herausforderungen: Rekrutierung Berater:innen, Witterungsverhältnisse auf dem Wochenmarkt
Tipp:
1. Für die Beratung: Ruhige angenehme Atmosphäre fördert den Austausch und lockt automatisch mehr Ratsuchende an.
2. für die Azubis: tolle Möglichkeit mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen und eine andere Rolle kennenzulernen (sonst oftmals die Behörde als strenge Instanz / Gespräche manchmal konfliktbehaftet – hier bei zusammen digital überwiegend positive Erfahrungen, da man als Hilfe/Unterstützung ganz konkret wahrgenommen wird.
Highlight:
1. Das große Highlight für dieses Jahr, auf das wir hinarbeiten und hinfiebern ist eine zusammen mit der VHS Memmingen organisierte „Aktionswoche Digitalisierung“ im Herbst / Anfang November. Hier sollen an insgesamt 3 oder 4 Tagen Vorträge und Beratungen sowie Präsentationen rund um das Thema Digitalisierung, städtische Onlinedienste, digitale Unterstützung für Senioren uvm. stattfinden.
2. Viel Aufmerksamkeit und Interesse hat unsere Theke bei der vergangenen Bürgerversammlung in der Stadthalle erfahren. Unter dem Motto „Stadt im Dialog“ präsentierten sich viele Ämter mit Ständen und Theken. So auch das Amt für Organisation und Digitalisierung, wobei man sich bereits hier über das digitale Angebot der Stadt und auch das tolle Beratungsangebot von „zusammen digital“ informieren und dies auch gleich in Anspruch nehmen konnte.
> Beratungsort/Infrastruktur
„Aber wo und wann wird ein solches Angebot am besten angenommen? Um das herauszufinden, schickte das Projektteam die Theke auf Tour: Bei gutem Wetter stand und steht sie immer wieder mitten im Trubel auf dem Memminger Marktplatz, über die kalte Jahreszeit zog sie in den Eingangsbereich des Bürgerbüros, für extra Aktionen wurde sie auch schon im Bürgerstift und im Seniorenzentrum beim MeWo-Park aufgestellt. Im Mai dieses Jahres begleitete sie eine Veranstaltung der Digitalen Engel, die bundesweit unterwegs sind, um digitale Kompetenzen zu vermitteln. Die Resonanz ist recht unterschiedlich, auch das ist eine Erfahrung für die Projektverantwortlichen. Die Menschen müssen die Zeit und „den Kopf“ haben, um sich auf ein Gespräch einlassen zu können. Das Angebot muss sich herumsprechen. Das Umfeld muss passen. Wenn die Sonne scheint, ist der Blick aufs Display manchmal mühsam. All das sind Einflussfaktoren, die darüber entscheiden, wie viele Menschen die Beratung in Anspruch nehmen.“ Bericht vom „zusammen digital“-Standort Memmingen
Die Anforderungen an Raum und Ausstattung sind gering. Es braucht einen festen, zielgruppenadäquaten Ort mit Sitzgelegenheiten. Dieser muss mit WLAN und sanitären Anlagen ausgestattet sein. Idealerweise handelt es sich um eine Einrichtung, die im sozialen oder kommunalen Raum bereits bekannt und bei der Zielgruppe etabliert ist, z.B. ein Rathaus, ein Bürgerzentrum, ein Mehrgenerationenhaus oder eine Stadtbibliothek. Spezifische Geräte sind meist nicht notwendig. Häufig bringen die Ratsuchenden ihre eigenen Endgeräte mit. In manchen „zusammen digital“-Theken wird zusätzlich ein Vorführgerät bereitgestellt, um einzelne Funktionen anschaulich demonstrieren zu können. Hilfreich kann es sein, verschiedene Aufladekabel und Adapter an der Theke parat zu haben.
Zudem sollte der Ort möglichst barrierefrei sein, um auch mobil eingeschränkten Menschen einen Zugang zu ermöglichen. Technische Hilfen wie Touchpens, gute Beleuchtung oder Diktierfunktionen in Apps tragen dazu bei, Barrieren abzubauen. So wird Beratung inklusiver und für mehr Menschen nutzbar.
Tipps
Beratung braucht Ruhe, aber keine Isolation
Für die Beratung muss darauf geachtet werden, dass der Ort eine ruhige, vertrauliche und konzentrierte Atmosphäre ermöglicht. Die Besuchenden müssen sich an dem Ort wohl fühlen. Der Raum darf aber auch nicht völlig abgeschottet sein, um keine Unsicherheiten hervorzurufen. Ein offener Bereich mit mehreren Tischen oder abgetrennten Sitzmöglichkeiten kann hier sinnvoll sein.
Ein Wartebereich schafft Struktur und Wertschätzung
Für einen reibungslosen Ablauf und eine wertschätzende Umgebung ist es wichtig, einen geeigneten Wartebereich einzuplanen. Er sollte so gestaltet sein, dass Ratsuchende bei Wartezeiten in einer angenehmen Atmosphäre verweilen können. Ein klar definierter Wartebereich signalisiert Verlässlichkeit, schafft Struktur, sorgt insbesondere bei parallel laufenden Gesprächen oder temporären Engpässen für Orientierung und erhöht die Aufenthaltsqualität.
Schulgebäude sind oft keine geeigneten Beratungsorte
Schulen empfehlen wir nicht als Beratungsorte, da die Mehrzahl der Besucher:innen diese nicht als öffentlich zugängliche Orte kennen. Falls Schüler:innen als Beratende fungieren, kommt hinzu, dass diese meist einen neutralen Rahmen außerhalb des schulischen Kontexts bevorzugen. Ein externer Ort schafft räumliche und gedankliche Distanz zum Schulalltag und wird dadurch häufig als unabhängiger und offizieller wahrgenommen.
Wochenmärkte können zu festen Beratungsorten werden
Wochenmärkte können sich als fester Standort etablieren. Während einmalige Einsätze auf Märkten vor allem der Sichtbarkeit dienen und überwiegend Laufkundschaft erreichen, fehlt es dabei häufig an Zeit und Ruhe für ein intensives Gespräch. Wird das Angebot hingegen regelmäßig an diesem Ort verankert, entsteht Verlässlichkeit und interessierte Personen planen gezielt Zeit dafür ein und suchen das Gespräch bewusst auf. Hierbei ist aber auf eine gute Infrastruktur zu achten wie Beschattung, WLAN, Sitzmöglichkeiten, Regenschutz, etc.
Mobile Theken eröffnen den Zugang zu neuen Zielgruppen
Auch mobile Formate lassen sich wirkungsvoll in ein Gesamtkonzept integrieren. Dabei gibt es mobile Theken mit regelmäßigem Standort, die in festen Abständen am selben Ort erscheinen. Sie schaffen Kontinuität und Wiedererkennbarkeit, ermöglichen eine verlässliche Präsenz vor Ort und tragen zur regionalen Streuung des Angebots bei.
Pop-up-Theken erhöhen Sichtbarkeit
Pop-up-Theken werden flexibel und kurzfristig an wechselnden Orten eingesetzt. Sie dienen vor allem dazu, Aufmerksamkeit zu erzeugen, die Sichtbarkeit des Angebots zu steigern und neue Zielgruppen in unterschiedlichen Regionen zu erreichen. Die Betreuung der festen Theken sollte dabei durch Pop-up-Einsätze ergänzt, jedoch nicht vernachlässigt werden.
Auch möglich: Beratung im direkten Lebensumfeld der Zielgruppe
Auch Einsätze an spezifischen Orten wie Seniorenheimen können sinnvoll sein. Hier richtet sich das Angebot an eine klar definierte Zielgruppe, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass die Nachfrage möglicherweise nicht kontinuierlich vorhanden ist. Regelmäßigkeit kann hier dennoch hilfreich sein, um Vertrauen aufzubauen und im Bedarfsfall niedrigschwellig ansprechbar zu sein.
Beispiel: Eckental
Daten: Markt in Mittelfranken, ca. 16.000 Einwohner:innen
Öffnungszeiten: Gemeindebücherei: Jeden Freitag 15:30 – 17:00 Uhr (außer in den Ferien), KreisLauf-Kaufhaus: Jeden Mittwoch 16:00 – 17:30 Uhr (außer in den Ferien)
Akteure: Koordinatorin für Seniorenangelegenheiten der Kommune, Gemeindebücherei, KreisLauf-Kaufhaus, Seniorenbeirat, Nachbarschaftshilfe, Schulen, Vereine
Motivation: „Ein digitaler Zugang muss für alle Altersgruppen, unabhängig von Sprache und Bildungsstand, niedrigschwellig möglich sein. Die individuellen Probleme jedes Einzelnen müssen erkannt werden und Hilfsangebote bereitstehen.“
Beratende: Freie Akquise von Ehrenamtlichen über Vereine, Schulen, Presseartikel etc.
Entlohnung Beratende: 20 € Aufwandsentschädigung pro Einsatz, Zertifikat, T‑Shirt, Weihnachtsgeschenk, unterjährig kleine Aufmerksamkeiten
Durchschnitt Besuchende: ca. 4 Personen
Besonderheiten: Kooperation mit dem Verein Nachbarschaftshilfe um Beratungen zu Hause durchführen zu können, Qualifizierung einzelner Berater:innen im Umgang mit seh- und hörbeeinträchtigten Besuchenden
Herausforderungen: Trotz Aufwandsentschädigung war es anfangs schwierig Berater:innen zu finden.
Tipp: Um junge Ehrenamtliche zu akquirieren: Lehrer ansprechen und über Schulen gehen sowie Anzeigen/Presseartikeln im regionalen Wochenblatt schalten, um auch die Eltern der Jugendlichen anzusprechen
Highlight: Rückmeldungen der Beratenen, die dann auch gerne mehrfach die Beratung in Anspruch nehmen und damit ihre Kompetenzen ausbauen. Beratende erhalten als Dankeschön oftmals kleine Aufmerksamkeiten von Besuchern. Aufbau einer zweiten Theke
> Öffnungszeiten & Turnus
Eine regelmäßige Terminstruktur ist beim Aufbau einer Theke wichtig. Sie bietet den Besuchenden Planungssicherheit und Vertrauen. Nur so kann sich das Angebot nachhaltig etablieren.
Dauer der Einzelberatungen
Eine Beratung dauert im Schnitt 30 Minuten. Das heißt, bei zwei Stunden Öffnungszeit können pro Berater:in in der Regel 2–3 Besuchende beraten werden.
Tipps
Den passenden Rythmus beibehalten
Je nach Bedarf und vorhandenen Kapazitäten bietet es sich an, wöchentliche Thekentermine anzubieten. Dies hat sich bei vielen bestehenden Angeboten bewährt. In kleineren Kommunen oder als Ergänzung zu bestehenden Strukturen sind auch zweiwöchentliche oder monatliche Termine sinnvoll. Dabei ist es wichtig, flexibel zu bleiben und die Bedarfe regelmäßig im Austausch mit allen Beteiligten abzustimmen, um passende Zeitfenster für Beratende und Besuchende zu finden. Da jede Kommune unterschiedliche Voraussetzungen mitbringt, kann die Umsetzung entsprechend variieren. Ist ein passender Rhythmus gefunden, sollte dieser beibehalten werden, um Kontinuität und Orientierung zu gewährleisten.
Den passenden Tag beibehalten
Erfahrungen zeigen, dass sich der Mittwoch besonders für Thekenangebote eignet – unter anderem, weil Arztpraxen an diesem Nachmittag häufig geschlossen sind. In etablierten Kommunen folgen in der Beliebtheit Dienstag, Donnerstag und Freitag, danach Montag und zuletzt Samstag. Die meisten Angebote finden am Nachmittag statt; vormittags wird die Theke seltener genutzt. Den passenden Wochentag zu finden, erfordert oft etwas Ausprobieren – ist er gefunden, sollte er beibehalten werden.
Öffnungszeiten der Theken an Bedarf und Frequenz orientieren
Die Thekenzeiten liegen in der Regel zwischen 1,5 und 2 Stunden, in einigen Fällen bis zu 4 Stunden. Die Dauer orientiert sich an der Häufigkeit der Termine, der erwarteten Zahl an Besuchenden sowie der verfügbaren Beratenden. Mit der Zeit pendelt sich ein geeigneter Rahmen ein. Flexibilität und kontinuierlicher Austausch sind dabei hilfreich, um bedarfsgerechte Zeiten zu gestalten.
Ferien, Wetter und Tageszeit als Einflussfaktoren berücksichtigen
Viele Angebote pausieren während Schulferien und an Feiertagen, da Beratende bei „zusammen digital“ häufig Schüler:innen sind. Vor und nach diesen Pausen kommt es häufig zu einem erhöhten Beratungsaufkommen und bei weniger etablieren Theken zu weniger Besucher:innen. Wetterbedingungen beeinflussen das Besuchsverhalten zusätzlich: Bei großer Hitze im Sommer oder Glätte im Winter sinkt die Zahl der Besuchenden. Die Thekenöffnung sollte nicht zu spät angesetzt werden, damit Ratsuchende vor Einbruch der Dunkelheit den Heimweg antreten können. Zudem ist eine transparente und verlässliche Kommunikation der Öffnungszeiten für die Besuchenden unerlässlich.
> Langfristiges Engagement & Kosten
Eine funktionierende Beratungstheke aufzubauen, kostet Zeit und Engagement. Wir sprechen hier von im Schnitt zwei Jahren, die es benötigt, eine Theke vor Ort zu etablieren. Daher ist eine hohe und langfristige Priorisierung innerhalb der Kommune/Institution unumgänglich. Zudem ist die Etablierung mit Kosten verbunden, z.B. für Aufwandsentschädigungen, Mieten, Öffentlichkeitsarbeit, Aufmerksamkeiten, Catering.
Um Entscheidungsträger:innen langfristig zu motivieren, sich für die Theke einzusetzen, gibt es folgende Tipps aus der „zusammen digital“-Praxis: kontinuierliche Information, Statistiken, Feedback von den Beratenen, Sichtbarkeit bei größeren Veranstaltungen sowie gute Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt.
Ein Appell: Mut zur Geduld – Von der Idee zur Etablierung der Theke
Der Weg von der ersten Projektidee bis zur tatsächlichen Umsetzung der digitalen Theke verläuft von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich. Während einige Kommunen bereits auf bestehende Strukturen oder vergleichbare Projekte zurückgreifen können und dadurch innerhalb weniger Wochen startklar sind, benötigen andere deutlich mehr Zeit. In vielen Fällen dauert es zwei bis sechs Monate, um organisatorische Grundlagen zu schaffen, geeignete Räume zu finden, Beratende zu gewinnen und die technische Infrastruktur bereitzustellen.
In Kommunen, in denen die Theke als vollkommen neues Angebot eingeführt wird oder mehrere Standorte parallel aufgebaut werden, erstreckt sich der Vorbereitungsprozess regelmäßig über 6 — 12 Monate. Neben der organisatorischen Planung spielt die zielgruppenspezifische Öffentlichkeitsarbeit eine zentrale Rolle, um sowohl Ratsuchende als auch engagierte Menschen für die Beratung zu erreichen.
Achtung: Der Start der digitalen Theke bedeutet nicht automatisch, dass sie etabliert ist. Erst nach etwa 8 – 12 Monaten verbreitet sich das Angebot in der Zielgruppe zunehmend und die Zahl der Besuchenden stabilisiert sich. Eine anfänglich geringe Nachfrage sollte daher nicht abschrecken, sondern als Teil des normalen Entwicklungsprozesses betrachtet werden. Ein Großteil der Ratsuchenden kommt aufgrund von Mund-zu-Mund-Propaganda zum Projekt und das erfordert Geduld.
> Häufige Fragen
Sollte die Beratung mit oder ohne Anmeldung durchgeführt werden?
Grundsätzlich wird bei „zusammen digital“ angestrebt, das Beratungsangebot ohne Anmeldung zugänglich zu machen. Die Möglichkeit für eine spontane Beratung ist ein wichtiger Aspekt der Niedrigschwelligkeit und senkt die Hemmschwelle zur Teilnahme. In Kommunen mit besonders hoher Nachfrage oder wenn sich einzelne Personen eine Terminvereinbarung wünschen, ist unser Tipp, die Anmeldung als freiwillige Option und nicht als Voraussetzung für die Beratung anzubieten.
Darf die Beratung etwas kosten?
Beratungsangebote verursachen Kosten. Trotzdem sollte die Theke unabhängig von der finanziellen Situation der Besuchenden für alle zugänglich sein. Eine kostenpflichtige Beratung kann eine große Hürde darstellen und schließt oft gerade jene aus, die besonders auf Unterstützung angewiesen sind. Daher sollte das Angebot möglichst kostenfrei angeboten werden. Eine Finanzierungsmöglichkeit könnten freiwillige Spenden der Besuchenden sein. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass auch Spendenaufrufe sozialen Druck auslösen können. Zudem muss vor Ort abgeklärt werden, wie die Spenden buchhalterisch verwaltet werden.
Braucht es Geräte vor Ort?
Im klassischen Beratungsalltag werden keine zusätzlichen Geräte an der Theke benötigt, da die Besuchenden ihre eigenen Geräte mit den damit verbundenen Fragenstellungen mitbringen. Ausnahme: Um den Einstieg für Personen ohne eigenes digitales Endgerät zu erleichtern, können Kommunen vor Ort Geräte zum Testen oder Ausleihen anbieten. Das funktioniert manchmal gut, ist aber nicht immer ideal, weil die später selbst genutzten Geräte oft anders funktionieren, und das Gelernte nicht eins-zu-eins übertragbar ist. Hilfreich ist es, verschiedene Ladekabel vor Ort zu haben, um spontan die Geräte der Ratsuchenden laden zu können.
Was kostet eine Beratungstheke?
Folgende Punkte sollen helfen, den Finanzierungsbedarf besser einschätzen zu können:
- Kosten für die Koordinierungsstelle, insbesondere in der Anfangsphase intensiver Zeiteinsatz erforderlich
- Raummieten und Ausstattung der Räume, etwa mit Tischen, Stühlen oder mobilen Routern
- Werbematerialien wie Flyer, Tischschilder und Presseanzeigen, um das Angebot bekannt zu machen
- Ausgaben für Ehrenamtspauschalen, Aufwandsentschädigungen, Gutscheine oder Freizeitangebote für die Beratenden
- Namensschilder, T‑Shirts o.Ä. für die Beratenden als Erkennungsmerkmal
- Verpflegung bei Beratungsterminen oder Treffen
Die Erfahrungen zeigen, dass es vorteilhaft ist, wenn das Projekt in bestehende kommunale Strukturen eingebunden wird. Eine Integration in den städtischen Haushalt, die Verankerung in der Jugendarbeit oder Kooperationen mit Schulen können hier zielführend sein (vgl. Kapitel 8, Kooperationen). Auch ehrenamtliches Engagement wird möglicherweise an Bedeutung gewinnen. Eine solide Kostenplanung und das Einwerben kleinerer Fördermittel oder Sachspenden können darüber hinaus helfen, finanzielle Engpässe zu überwinden.
3. Wer berät?
Bei „zusammen digital“ wurde an vielen Theken vorranging von jungen Menschen beraten – was mit unseren Förderkriterien zu tun hatte. Um das Unterstützungsnetz zu erweitern und weitere Erfahrungen zu sammeln wurde das Konzept auf Beratende jeden Alters erweitert. So gab es Teams junger Beratender, altersgemischte Teams und Teams mit eher älteren Personen. Allgemein gilt zu beachten, dass bei den Teams – und insbesondere bei gemischten Teams – berücksichtigt werden muss, dass alle Teammitglieder ihre Perspektiven, Wünsche und Bedürfnisse einbringen können.
Gerade bei altersgemischten Teams verfügen die älteren Beratenden oft über mehr rhetorische Sicherheit und kommunizieren teils anders als Jüngere. Das kann dazu führen, dass jüngere Teammitglieder sich weniger trauen, ihre Meinung einzubringen. Hierauf in der Koordination zu achten ist wichtig, um einen respektvollen und gleichberechtigten Austausch im Sinne der Nachhaltigkeit zu fördern.
Einige Menschen zögern, sich als Beratende zu engagieren, weil sie befürchten, nicht kompetent genug zu sein oder nicht alle Fragen beantworten zu können. Versichern Sie den Personen, dass sie sich das Engagement als Beratende zutrauen können. Machen Sie ihnen klar: Sie müssen nicht alles wissen. Die Fragen lassen sich oft einfach erklären. Es geht vor allem darum, empathisch zu begleiten und gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen. In der „zusammen digital“-Schulung wird genau dies trainiert.
> Junge Menschen als Beratende
Selbstverständlichkeit im Umgang mit digitalen Medien schafft Vertrauen
Junge Beratende zeichnen sich mehrheitlich durch ihren selbstverständlichen Umgang mit digitalen Medien aus. Sie navigieren intuitiv durch Anwendungen, was den Ratsuchenden den Zugang erleichtert. Ihre lockere und gelassene Art schafft eine angenehme Atmosphäre, die Hemmschwellen abbaut und Vertrauen fördert.
Aktuelle Kenntnisse und frische Perspektiven
Die jungen Beratenden sind häufiger mit den neuesten Trends, Apps und Technologien vertraut, sodass sie praxisnahe und zeitgemäße Unterstützung bieten können. Sie bringen neue Sichtweisen ein, die dabei helfen, Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und kreative Lösungen zu entwickeln
Offenheit und Geduld im Umgang mit Ratsuchenden
Junge Beratende zeigen oft viel Geduld und erklären auch grundlegende Fragen verständlich. Das ist für ältere oder weniger technikaffine Ratsuchende wertvoll.
Motivation und niedrigere Hemmschwelle
Die Begeisterung der jungen Beratenden für digitale Themen wirkt ansteckend und kann helfen, Besuchende zur aktiven Nutzung digitaler Medien zu ermutigen. Sie fühlen sich oft weniger bewertet oder unter Druck gesetzt, wenn sie von jungen Menschen beraten werden, was den Lernprozess erleichtert.
Begegnungsort
Der direkte Austausch zwischen jungen Beratenden und meist älteren Besuchenden fördert einen wertvollen Generationendialog. Junge Menschen bringen ihre digitalen Kompetenzen und frischen Perspektiven ein, während die älteren Besuchenden ihre Erfahrungen teilen. Zur Beratung kommen und beraten Personen mit und ohne Migrations- und/oder Fluchtgeschichte. Durch den Austausch über vermeintliche Alters‑, Kultur- und Milieugrenzen hinweg können Vorurteile abgebaut, gegenseitiges Verständnis gefördert und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden. So entstehen neben Wissensvermittlung auch Vertrauen und Respekt zwischen unterschiedlichen Menschen.
Anerkennung der Jugendlichen in der Gesellschaft
Die Beratungstätigkeit macht deutlich, wie engagiert junge Menschen Verantwortung übernehmen und einen wertvollen Beitrag leisten. Dabei gewinnen sie zunehmend Anerkennung und werden in gesellschaftlichen Zusammenhängen stärker wahr- und ernstgenommen. Ihre Fähigkeiten und ihr Einsatz werden sichtbar und geschätzt. Die aktive Rolle in der Beratung trägt so entscheidend dazu bei, das positive Bild junger Menschen zu stärken und ihr Engagement angemessen zu würdigen.
Spezifische Herausforderung bei jungen Beratenden
Die Lebensrealität Jugendlicher ist häufig von Umbrüchen geprägt. Schulwechsel, Prüfungsphasen, Auslandsaufenthalte oder der Einstieg ins Berufsleben können zur zeitweisen oder dauerhaften Beendigung des Engagements führen. Die Dynamik im Alltag junger Menschen erfordert flexible Angebote. Starre Strukturen oder langfristige Verpflichtungen können abschreckend wirken. Ein niederschwelliger Einstieg, befristete Einsätze und die Möglichkeit, Pausen einzulegen, können die Attraktivität des Engagements erhöhen.
> Erwachsene und ältere Menschen als Beratende
Mehr Personen und flexible Einsatzzeiten
Durch die Einbeziehung älterer Beratender können mehr Ehrenamtliche gewonnen werden. Zudem kann das Angebot zeitlich flexibler gestaltet und unterschiedliche Einsatzzeiten können besser abgedeckt werden.
Erfahrung
Ältere Beratende bringen ähnliche Lebenserfahrung wie die Besuchenden mit und können sich damit sehr gut in die Lebenswelt der Besucher:innen einfühlen. Zudem haben sie möglicherweise beruflich im Bereich der Digitalisierung gearbeitet und können damit ihr gewonnenes Wissen weitergeben.
Stärkere Vernetzung
Ältere Beratende verfügen häufig über gute Kontakte in Verwaltung, Politik und Institutionen. Diese Netzwerke stärken die Sichtbarkeit der Projekte und erleichtern deren Unterstützung.
Langfristige Stabilität
Während sich viele junge Menschen aufgrund von Schulabschlüssen, Studium, Ausbildung oder Umzügen nur temporär engagieren können, bieten Ältere oft mehr Kontinuität, da sie sich in stabileren Lebensphasen befinden. So wird die nachhaltige Weiterentwicklung von Strukturen und Abläufen gefördert.
Beratung durch Gleichaltrige manchmal gewünscht
Manche Ratsuchende bevorzugen die Beratung durch Gleichaltrige.
> Was motiviert die Beratenden?
Finanzielle und materielle Anreize
Eine finanzielle Aufwandsentschädigung kann, besonders bei knappen Ressourcen im Alltag, motivierend wirken und zeigt Wertschätzung. Auch die Vergabe von Gutscheinen ist möglich. Kleine Aufmerksamkeiten wie T‑Shirts mit Projektlogo können die Identifikation mit dem Projekt und die Zusammengehörigkeit stärken. Die Erfahrung aus den „zusammen digital“-Kommunen hat gezeigt, dass finanzielle Anreize hilfreich sein können. Dies hängt vorrangig an der knappen Ressource Zeit im Alltag der jungen Menschen. Ausnahmen stellen junge Beratende dar, die die Beratung im Rahmen der Schule, der Ausbildung oder innerhalb einer bereits bestehenden Jugendgruppe durchführen.
Öffentliche Anerkennung und Zertifikat
Zudem kann eine offizielle Würdigung, beispielsweise in Form einer feierlichen Zertifikatsvergabe z.B. durch kommunale Vertreter:innen, oder bei Schüler:innen durch die Schulleitung organisiert werden. Dies unterstreicht die Bedeutung ihres Einsatzes und kann entscheidend zur nachhaltigen Bindung an die Beratung beitragen. Ein Zertifikat wirkt nicht nur als Zeichen der Wertschätzung, sondern spornt zusätzlich an, da es im Lebenslauf verwendet werden kann und somit auch langfristig Mehrwert bietet.
Gemeinsame Events
Gemeinsame Aktivitäten wie ein Eisessen, ein Spieleabend oder ein Ausflug wirken verbindend. Sie fördern den Teamgeist und lassen das Engagement als positiv und bereichernd erfahren. Rückmeldungen aus den bisherigen „zusammen digital“-Vernetzungsveranstaltungen bestätigen diesen Einschätzung eindrucksvoll. Für eine langfristige Bindung an das Projekt ist ein starkes Teamgefühl von zentraler Bedeutung.
Partizipation der Beratenden
Es ist sehr wichtig die Beratenden nicht zu unterschätzen oder zu bevormunden, sondern sie als gleichwertige, ernstzunehmende Mitgestaltende, bzw. als Expert:innen anzuerkennen. Dies gilt insbesondere bei Jugendlichen Beratenden. Partizipation heißt hier auch den jungen Menschen Verantwortung zu übergeben.
Persönliches Engagement und ideelle Motivation
Viele Beratende bringen von sich aus ein hohes Maß an Engagement und Hilfsbereitschaft mit. Sie unterstützen gerne und erleben die unmittelbare Wertschätzung durch Ratsuchende oft als sinnstiftend und persönlich bereichernd. Zudem motiviert die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen, eigenes Wissen weiterzugeben und aktiv zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beizutragen.
> Akquise von Beratenden
Die Akquise der Beratenden stellt häufig eine Herausforderung dar. Hier ein paar Tipps aus den aktuellen „zusammen digital“-Kommunen.
Breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit
Eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit macht das Angebot sichtbar. Beiträge in der Lokalpresse, Amtsblätter, Flyer und Poster sowie Beiträge auf Social-Media-Plattformen erreichen potenzielle Beratende. Tatsächlich hat sich die Lokalpresse als sehr erfolgreiches Akquisetool herausgestellt.
Kontaktaufnahme und persönliche Ansprache in Bildungseinrichtungen
Schulen, ggf. Hochschulen und Universitäten vor Ort bieten wertvolle Anknüpfungspunkte. Bei der Kooperation mit Schulen ist eine enge Zusammenarbeit mit der Schulleitung, ggf. Schulsozialarbeit und Vertrauenslehrkräften ausschlaggebend. Hier hat sich neben der digitalen Kontaktaufnahme der direkte und persönliche Besuch in Schulklassen als besonders wirksam erwiesen. In einigen „zusammen digital“-Kommunen konnten auch feste Strukturen in den Schulen geschaffen werden, z.B. in Form eines Wahlpflichtfachs. Darüber hinaus eröffnen berufsbezogene Einrichtungen weitere Möglichkeiten der Einbindung. Berufsfachschulen, die Volkshochschule oder Einrichtungen wie das Kolpingwerk erreichen junge Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen. Einige Kommunen arbeiten erfolgreich mit Auszubildenden, Bundesfreiwilligendienstleistenden oder Praktikant:innen zusammen. Auch Einrichtungen wie das medizinisch-berufliche Rehabilitationszentrum in Würzburg können wichtige Partner sein.
Ansprache bestehender Netzwerke
Bestehende Netzwerke in der Kommune bieten weitere vielfältige Möglichkeiten, Menschen für eine Beteiligung zu gewinnen. Freiwilligenzentren, Mehrgenerationenhäuser, Stadtteilzentren, Büchereien sowie religiöse Träger wie kirchliche Einrichtungen, Moscheen und Synagogen verfügen häufig über direkte Zugänge zu engagierten Menschen. Auch die Jugendarbeit mit den Jugendringen, Jugendbeiräten und Jugendzentren sind erprobte Anlaufstellen für die Ansprache interessierter junger Menschen. Sportvereine oder kulturelle Freizeitangebote bieten niedrigschwellige Zugänge, insbesondere in ländlichen Regionen.
Auszubildende als Beratende
Auch Auszubildende können als Beratende eingebunden werden. In manchen Städten werden sie regelmäßig für die Mitarbeit freigestellt. So können diese direkt bei der Digitalisierung innerhalb der Kommune unterstützen.
Eltern als Unterstützende gewinnen
Eltern sind wichtige Unterstützende bei der Akquise junger Menschen. Eine gezielte Ansprache der Eltern schafft Vertrauen und erhöht die Bereitschaft zur Teilnahme. Gerade die beteiligten Jugendlichen mussten des Öfteren von Familienmitgliedern oder Freund:innen motiviert werden, da sie sich die Aufgabe manchmal nicht selbst zutrauen.
> Wie profitieren die Beratenden?
Lernen durch Lehren
Wenn Beratende anderen digitale Anwendungen und Geräte erklären, vertiefen und reflektieren sie nicht nur ihr eigenes Wissen. Sie trainieren zugleich die Fähigkeit, komplexe Inhalte klar und in einfachen Worten zu vermitteln – eine Schlüsselkompetenz, die in vielen Berufsfeldern unverzichtbar ist.
Stärkung der sozialen Kompetenzen
Der Umgang mit sehr unterschiedlichen Besuchenden fördert Geduld, Empathie und Einfühlungsvermögen. Dabei übernehmen die Beratenden Verantwortung und lernen, selbstständig und souverän im direkten Kontakt mit anderen Menschen zu agieren. So werden soziale Kompetenzen gefördert.
Selbstsicherheit und persönliche Entwicklung
Durch kontinuierliche Beratungspraxis gewinnen die Beratenden an Selbstvertrauen und Sicherheit. Die Wertschätzung und das positive Feedback der Ratsuchenden motiviert sie nachhaltig und lässt sie in ihrer Rolle aufblühen. Zudem entwickeln Beratende ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen von digitalen Einsteiger:innen.
Vernetzung und Teamarbeit
Der regelmäßige Austausch mit anderen Beratenden – sei es vor Ort oder im Projektverbund – stärkt die Vernetzung und fördert die Teamarbeit. Gleichzeitig eröffnet er die Chance, das Beratungsangebot aktiv mitzugestalten und kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Soziale Kontakte
Durch die enge Zusammenarbeit im Team, gemeinsame Schulungen und Aktivitäten können Bekanntschaften entstehen, die das Engagement zusätzlich stärken und das Projekt zu einem sozialen Anker für die Beratenden machen. Es kann dem Gefühl der Einsamkeit entgegenwirken.
Selbstwirksamkeitserleben
Das Engagement der Beratenden trägt sichtbar zur digitalen Teilhabe und zum sozialen Zusammenhalt in ihrer Gemeinschaft bei. Die Beratenden gewinnen ein stärkeres Gefühl von Selbstwirksamkeit und erfahren unmittelbar, dass ihr Handeln Wirkung zeigt. Diese Wirkung stärkt das Selbstbewusstsein und fördert das Verantwortungsbewusstsein. Durch die Thekenarbeit mit unterschiedlichen Menschen wächst ihr Bewusstsein für soziale Verantwortung und die digitale Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft.
Vielfältigere Perspektiven
Durch den Kontakt mit anderen Personen werden vielfältige Perspektiven über vermeintliche Alters‑, Kultur‑, Milieu- und Sprachgrenzen hinweg kennengelernt.
Berufliche Orientierung und Erfahrung
Gerade jüngere Beratende sammeln wertvolle Praxiserfahrung, die sie in ihrer beruflichen Orientierung unterstützt. Kompetenzen wie Beratung, Digitalwissen und gesellschaftliches Engagement verbessern ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt und werten den Lebenslauf auf. Das Engagement kann auch durch ein Zertifikat bescheinigt werden.
4. Schulung der Beratenden
Gut geschulte und vorbereitete Beratende sind für eine funktionierende Beratungstheke die wesentliche Voraussetzung.
> Schulungskonzept von zusammen digital
Das Team von „zusammen digital“ bietet eine Schulung für Beratende an, die sich nicht auf technische Inhalte fokussiert, sondern den reflektierten Umgang in Beratungssituationen in den Vordergrund stellt. Ziel ist es, die Beratenden im sicheren, verantwortungsvollen und respektvollen Handeln zu stärken. Die Inhalte orientieren sich an praxisrelevanten Themen und beinhalten u. a.:
den Umgang mit den Ratsuchenden
den Ablauf und die Struktur der Beratung
datenschutzrelevante Themen
den Umgang mit schwierigen Situationen
Aufbau und Ablauf:
Die Schulung dauert ca. 1,5 Stunden und gliedert sich in zwei Teile:
Die Koordination vor Ort vermittelt grundlegende organisatorische und lokale Rahmenbedingungen.
Das JFF übernimmt den inhaltlich-fachlichen Teil rund um medienpädagogische und beratungsspezifische Fragen.
Dauer der Schulung:
ca. 2 Stunden in Präsenz oder ca. 1,5 Stunden online
Die Schulung selbst durchführen
Sie können sich gerne zu den Schulungen anmelden. Alternativ können sie auch selbst die Schulungen durchführen. Die dazugehörige Präsentation sowie ein Handout stehen hier unter Schulungsmaterial zur Verfügung. Gerade bereits erfahrene Beratende können sich mit Hilfe des Handouts einarbeiten und neue Ehrenamtliche damit schulen.
Gerne können sie sich als kooperatierende zusammen digital-Institution/Kommune für eine Schulung bei uns anmelden. Zudem können sie ab einer Gruppengröße von mindestens fünf Personen außerdem eine eigene Schulung angefragen. Termine für Online-Schulungen werden, sofern es die Teilnehmerzahl zulässt, öffentlich auf der zusammen digital-Seite ausgeschrieben. So können sich auch einzelne Interessierte aus anderen Kommunen unkompliziert anmelden.
Einmalige Schulungen reichen oft nicht aus, um auf die Herausforderungen vorbereitet zu sein. Deshalb setzt zusammen digital auf eine kontinuierliche Begleitung durch:
regelmäßige Jour-fixe-Termine mit Ansprechpersonen vor Ort
individuelle Beratung bei fachlichen Fragen
sowie thematische Impulse und ergänzende Materialien, die auf Rückmeldungen aus der Praxis reagieren.
Die pädagogische Begleitung und Reflexion der Einsätze erfolgen über die lokalen Ansprechpersonen, die ihr Team aktiv unterstützen und den kollegialen Austausch ermöglichen.
Eine Beratungstheke ist ein offenes Angebot. Es kommen sehr unterschiedliche Personen zu dem Angebot. Daher ist ein durchdachtes Schutzkonzept essenziell, um den sicheren, verantwortungsvollen und wirkungsvollen Einsatz der Beratenden zu gewährleisten. Dies ist insbesondere bei der Mitwirkung von Minderjährigen elementar.
Mindestens zwei Beratende vor Ort
Beratende sollen niemals allein im Einsatz sein. Es sollten mindestens zwei Beratende gleichzeitig vor Ort tätig sein, unabhängig davon, ob sie gemeinsam beraten oder parallel arbeiten. Diese Regel dient der gegenseitigen Absicherung, beugt Überforderung vor und stärkt die Qualität der Beratung.
Erwachsene Begleitung bei Minderjährigen
Sobald Minderjährige aktiv sind, ist eine pädagogisch verantwortliche erwachsene Person verpflichtend. Diese Person muss:
anwesend oder unmittelbar erreichbar sein,
Awareness zeigen (= sensibel für Diskriminierung und grenzverletzendes Verhalten zu sein und aktiv dagegen einschreiten)
als Ansprechpartner: in fungieren und
über ein erweitertes Führungszeugnis verfügen.
Diese Begleitung bietet Sicherheit, Orientierung und die Möglichkeit, schwierige Situationen direkt aufzufangen.
Gemeinsames Selbstverständnis
Der Einsatz der Beratenden basiert auf einem gemeinsam getragenen Selbstverständnis. Es definiert die Grundhaltung, mit der sich alle Beteiligten begegnen, und legt fest, was im Miteinander erwartet werden kann. Zudem benennt es, welche Verhaltensweisen nicht akzeptiert werden.
Eine Vorlage für dieses Selbstverständnis stellt das Projekt Digitale Hilfe bereit. Dieses Selbstverständnis kann individuell ergänzt, gemeinsam besprochen und als verbindliche Grundlage für die Zusammenarbeit genutzt werden. Im Beratungsalltag dient es als Referenz, auf die bei Bedarf aktiv verwiesen werden sollte.
Vorbereitung auf einen Umgang mit schwierigen Situationen
In den Schulungen werden kritische Situationen und typische Herausforderungen gezielt durchgespielt. So entsteht Handlungssicherheit im Umgang mit belastenden oder unerwarteten Situationen sowohl für Einzelpersonen als auch im Team.
Beschwerdemöglichkeiten
Ein niedrigschwelliges und transparentes Beschwerdeverfahren gehört zum Schutzkonzept dazu. Es umfasst klar benannte Ansprechpersonen vor Ort, sowie eigene, geschützte Kommunikationswege (z. B. E‑Mail, SMS, WhatsApp) über die man erreichbar ist. Diese Kanäle orientieren sich an den gewohnten Kommunikationsformen junger Menschen und erleichtern es, sich im Ernstfall Hilfe zu holen.
Unterstützung im Team
Auch andere Teammitglieder können eine wichtige Rolle im Umgang mit belastenden Erfahrungen oder Unsicherheiten übernehmen. Die anderen Teammitglieder ersetzen jedoch keine professionellen Strukturen. Keine Person darf allein gelassen werden, wenn sie mit schwierigen Situationen konfrontiert ist.
Partizipation & Reflexion
Beratende sollen aktiv in die Weiterentwicklung des Projekts einbezogen werden. Dazu gehören regelmäßige Austauschformate sowie Möglichkeiten zur anonymen Feedbackgebung und eine Kultur der offenen Reflexion. Die lokalen Ansprechpersonen tragen Verantwortung dafür, Rückmeldungen ernst zu nehmen, Strukturen zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen.
6. Wer kommt zur Beratung?
Grundsätzlich stellt sich die Frage, wen man mit dem Angebot erreichen möchte und wie sich die Zielgruppe möglicherweise noch erweitern lässt. „zusammen digital“ ist als niederschwelliges Angebot für die breite Bevölkerung, unabhängig von Alter, Vorkenntnissen oder sozialem Hintergrund zu verstehen. In der Praxis wird das Projekt meist von älteren Menschen genutzt, die Unterstützung im Umgang mit digitalen Medien suchen. Es gibt viele weitere Personengruppen, die von niedrigschwelliger digitaler Unterstützung profitieren können.
Wer kommt zu den „zusammen digital“-Theken?
Erhebung im Rahmen von „zusammen digital“ unter 30 bayerischen Kommunen im Zeitraum 2024 — 2025
Diese Ergebnisse ergeben sich aus dem Auswertungstool, das im Projekt„zusammen digital“ genutzt wird. Bei der Altersverteilung fällt auf, dass die meisten Ratsuchenden im höheren Lebensalter sind, vor allem zwischen 60 und 89 Jahren. Besonders stark vertreten sind die Altersgruppen von 60 bis 79 Jahren. Jüngere Menschen unter 50 Jahren sowie sehr alte Personen ab 90 Jahren nehmen bislang nur vereinzelt teil. Zudem zeigt sich, dass überwiegend Frauen an den Beratungen teilnehmen.
> Zielgruppe
Deutschlands wichtigstes Lagebild zur Digitalisierung ist der D21 Digital Index. Die aktuellen Ergebnisse betonen die Relevanz von Projekten zur gezielten Förderung der digitalen Teilhabe.
Ein großer Teil der Bevölkerung blickt der Digitalisierung bereits mit Zuversicht entgegen. Etwa 48 Prozent der Menschen sehen in der Digitalisierung eine gute Chance für sich, sowohl in der beruflichen als auch privaten Entwicklung. Sie verfügen mit 88 Prozent über eine hohe digitale Resilienz, gehen Veränderungen aktiv an und eignen sich freiwillig neues Wissen an (D21-Digital-Index 2024/25, S. 13).
Digitale Resilienz ist eine Schlüsselkompetenz unserer Zeit. Sie beschreibt die Fähigkeit, mit den Herausforderungen des digitalen Wandels nicht nur umzugehen, sondern diese auch vorausschauend und aktiv mitzugestalten. Wer digital resilient ist, bleibt in einer sich schnell verändernden Welt handlungsfähig. Dies gilt im Berufsleben ebenso wie im gesellschaftlichen Miteinander. Umgekehrt bedeutet fehlende Resilienz ein erhöhtes Risiko, den Anschluss zu verlieren und von wichtigen Entwicklungen ausgeschlossen zu werden (D21-Digital-Index 2024/25, S. 6).
Für etwa 52 Prozent der Bevölkerung trifft dies nicht zu. Sie stehen der Digitalisierung skeptisch oder ablehnend gegenüber. In der Digitalisierung sehen sie vor allem Herausforderungen und haben im Durchschnitt eine digitale Resilienz von nur 35 Prozent. Das bedeutet, sie tun sich schwerer damit, sich auf den digitalen Wandel einzustellen oder in diesem Bereich Neues zu lernen. Besonders betroffen sind 4,2 Millionen Menschen, die das Internet gar nicht nutzen (D21-Digital-Index 2024/25, S. 6).
Anteile der Personas (D21-Digital-Index 2024/25, S. 10)
Auf Grundlage des Digital-Index und einiger Merkmale zur Resilienz wurden drei Hauptgruppen in der digitalen Gesellschaft festgestellt:
Digitale Vermeider*innen
Digitale Mitte
Digitale Profis
Diese drei Gruppen unterteilen sich weiter in sechs Typen: genügsame Verdränger:innen, zufriedene Aussitzer:innen, eine ablehnende und eine aufgeschlossene Mitte sowie ambivalente und zuversichtliche Profis.
Soziale Faktoren
Die Zugehörigkeit zu einer der Gruppen hängt stark mit sozialen Faktoren zusammen. Die Zugehörigkeit zu einer der Gruppen hängt stark mit sozialen Faktoren zusammen. Frauen sind häufiger unter den digitalen Vermeider:innen zu finden, während Männer überdurchschnittlich oft zu den digitalen Profis zählen. Auch der Bildungsstand spielt eine große Rolle. Menschen mit niedriger formaler Bildung gehören eher zu den Gruppen mit geringer digitaler Aktivität. Wer hingegen einen höheren Bildungsabschluss hat, ist meist sicherer im Umgang mit digitalen Medien. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der beruflichen Situation. Personen mit einem Bürojob sind überdurchschnittlich oft digitale Profis. Wer hingegen nicht erwerbstätig ist oder in Berufen ohne Büroanteil arbeitet, ist häufiger in der Mitte oder bei den Vermeider:innen einzuordnen.
Auch das Einkommen wirkt sich deutlich aus. Während 77 Prozent der Menschen mit hohem Einkommen als digital resilient gelten, trifft das nur auf 49 Prozent der Geringverdienenden zu. Ähnliche Unterschiede zeigen sich beim Alter. Ältere Menschen erreichen deutlich niedrigere Resilienzwerte als jüngere (D21-Digital-Index 2024/25, S. 6).
Personas (D21-Digital-Index 2024/25, S. 14).
Gründe gegen die Nutzung des Internets (D21-Digital-Index 2024/25, S. 15)
Die Hauptgründe für die Nichtnutzung digitaler Angebote liegen vor allem in der gestiegenen wahrgenommenen Komplexität der Anwendungen. Viele Menschen fühlen sich dadurch überfordert und ziehen es vor, digitale Aufgaben von anderen erledigen zu lassen. Dagegen spielt Desinteresse oder der fehlende Nutzen zunehmend eine geringere Rolle.
Ausgrenzungserfahrungen aufgrund weniger oder gar keiner Digitalkenntnisse (D21-Digital-Index 2024/25, S. 15).
Ausgrenzungserfahrungen aufgrund weniger oder gar keiner Digitalkenntnisse machen viele besonders im Umgang mit Behörden, Banken oder beim Abschluss von Verträgen. Auch im Gesundheitswesen und beim Einkaufen fühlen sich manche ausgegrenzt. Gleichzeitig sagen etwa 46 Prozent der digitalen Verweigerer, dass ihnen ihre fehlenden digitalen Fähigkeiten im Alltag keine größeren Probleme verursachen.
Fazit: Digitale Teilhabe ist ungleich verteilt und wird stark von Geschlecht, Bildung, Beruf, Einkommen und Alter geprägt (D21-Digital-Index 2024/25, S.6). Durch die fortschreitende Digitalisierung könnten sich diese Ungleichheiten verstärken und die gesellschaftliche Spaltung zunehmen. Fehlende Resilienz kann dazu führen, dass Menschen, die heute noch digital aktiv sind, bei den kommenden Veränderungen abgehängt werden. Daher ist es wichtig, diese Bevölkerungsgruppen gezielt zu stärken und zu unterstützen (D21-Digital-Index 2024/25, S.12).
Es ist oft schwer vorherzusagen, wie viele Menschen das Beratungsangebot nutzen. Manche zögern, sei es aus Unsicherheit, Scham oder weil sie den Unterstützungsbedarf nicht erkennen. Deshalb ist es wichtig, die Ansprache vielfältig zu gestalten und regelmäßig zur Teilnahme zu ermutigen. Angebote sollten regelmäßig, niedrigschwellig, einladend und möglichst alltagsnah sein.
Strategische Terminwahl und institutionelle Verankerung
Der Zeitpunkt im Wochenverlauf und die Uhrzeit der Theke spielen eine wichtige Rolle für die Resonanz. Zudem schaffen die Anbindung an bestehende Einrichtungen, z.B. an Mehrgenerationenhäuser, einen vertrauten Rahmen und fördert die regelmäßige Inanspruchnahme. Die Angebote profitieren wechselseitig voneinander.
Mehrsprachigkeit anbieten
Auch die mehrsprachige Kommunikation erweitert die Zielgruppe um Menschen mit internationalen Lebensbiografien. Wenn Beratende über verschiedene Sprachkenntnisse verfügen, lassen sich Menschen mit internationaler Geschichte oder geringen Deutschkenntnissen besser erreichen. Zudem zeigt sich gerade bei der Beratungsarbeit, die von Menschen mit Fluchterfahrung getätigt wird, ein interessanter Effekt: Viele der neu Angekommenen sprechen aufgrund des laufenden Spracherwerbs bewusst langsam, deutlich und strukturiert. Genau das kann für ältere Ratsuchende sehr angenehm und hilfreich sein und zu einem respektvollen, verständlichen Austausch auf Augenhöhe beitragen.
Synergien mit Veranstaltungen
Die Kombination der Theke mit bestehenden Veranstaltungsformaten erhöht die Sichtbarkeit. Besonders erfolgreich zeigt sich dies im Zusammenhang mit kommunalen Events (z.B. Seniorentage), oder Gesundheitsaktionen (z.B. Hörtests).
Lokale Netzwerke, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Zufriedene, wiederkehrende Besucher:innen tragen durch persönliche Empfehlungen im direkten Umfeld oder über lokale Netzwerke wesentlich zur Bekanntheit der Beratungstheke bei.
Klassische Presseberichte wirken sich zudem sehr positiv auf die Besucherzahlen aus. Sie schaffen große Aufmerksamkeit bei der Zielgruppe. Mehr dazu unter Öffentlichkeitsarbeit.
Barrierefreiheit und Zielgruppenerweiterung
Die gute Erreichbarkeit der Theke, sei es durch zentrale Lage, barrierefreie Zugänge oder gut angebundene Standorte, erhöht die Anzahl der Besuchenden.
In Eckental besteht eine enge Kooperation mit der örtlichen Nachbarschaftshilfe, durch die auch Menschen in ihrem Zuhause erreicht werden können, die nicht mobil sind. Zusätzlich wurden die Beratenden vor Ort durch den „Digitalen Kompass“ geschult und sind damit in der Lage, auch Personen mit Hör- oder Sehbeeinträchtigungen individuell zu unterstützen.
Thementage anbieten
Zusätzlich angekündigte Aktionen zu Digitalen Themen wecken Interesse. Diese können dazu dienen auf das Angebot aufmerksam zu machen.
In Selb haben sich kurze Impulsvorträge zu digitalen Alltagsthemen bewährt, an die sich direkt Einzelberatungen anschlossen.
Fahne vor die Beratungstheke
Bei „zusammen digital“ hat sich etabliert, eine große Fahne auf die Straße vor die Einrichtung zu stellen, wenn die Beratungstheke geöffnet ist. Dies schafft einen Hingucker und einen Widererkennungswert.
> Öffentlichkeitsarbeit
Erhebung im Rahmen von „zusammen digital“ unter 30 bayerischen Kommunen im Zeitraum 2024 — 2025
Information über klassische Medien
Klassische Medien wie Zeitungen und Gemeindeblätter sind für viele Ratsuchende die wichtigsten Informationsquellen. Auch lokale Radioformate bieten eine wertvolle Plattform, um das Beratungsangebot bekannt zu machen.
Persönliche Empfehlungen
Persönliche Empfehlungen durch Bekannte und Vertraute entwickeln sich mit der Zeit und tragen maßgeblich zur Verbreitung des Angebots bei. Bis sich ein Angebot etabliert, kann allerdings etwas dauern.
Flyer
Flyer spielen eine weitere wichtige Rolle. Sie können direkt in alle Briefkästen, oder an zentralen Stellen verteilt werden, wie z. B. in Supermärkten, Cafés, Eisdielen,Apotheken, Gemeindezentren, Friedhöfen, Arztpraxen, Tafel, etc. Zudem dienen die Flyer als Merkhilfe für die Zielgruppe.
Amtsblatt und lokale Wochenzeitungen
Das Amtsblatt gelangt in nahezu alle Haushalte und wird von der Zielgruppe viel gelesen. Dasselbe gilt für die kostenfreien Wochenzeitungen.
Digitale Kanäle und Plakate als ergänzende Informationswege
Digitale Kanäle und Plakate spielen laut unserer Befragung eine untergeordnete Rolle, können aber dennoch Personen erreichen. Für eine erfolgreiche Ansprache sollte daher vorrangig auf traditionelle Medien und direkte, persönliche Kommunikationswege gesetzt werden. Eine Nutzung der digitalen Informationswege kann jedoch dazu beitragen, dass Familienangehörige, oder Bekannte davon erfahren und die Ratsuchenden dorthin vermitteln.
> Nutzen für die Zielgruppe
Zugang zu wichtigen Dienstleistungen
Viele wichtige öffentliche und private Dienste, etwa Arzttermine, Bankgeschäfte oder Rentenanträge, sind heute digital verfügbar. Die Beratung hilft den Ratsuchenden, diese Angebote sicher und eigenständig zu nutzen.
Stärkung der Selbstständigkeit
Durch das Erlernen von Fähigkeiten wie dem Ausfüllen von Online-Formularen, der Nutzung von Apps oder dem Buchen von Terminen gewinnen die Ratsuchenden mehr Unabhängigkeit. Dies stärkt das Selbstwertgefühl und ermöglicht digitale und somit gesellschaftliche Teilhabe.
Vermeidung von Benachteiligung
Die Beratung hilft digitale Barrieren abzubauen und Benachteiligungen zu verhindern. Diese können entstehen, wenn etwa bestimmte Angebote nur über Apps verfügbar sind oder wesentliche Informationen ausschließlich online zugänglich sind. So wird der Alltag erleichtert und die Gefahr, aufgrund fehlender digitaler Kompetenzen ausgeschlossen zu werden, deutlich reduziert.
Individueller Raum zum Lernen
Im Gegensatz zu Kursformaten, bei denen alle Teilnehmenden auf einem ähnlichen Niveau sein müssen und festen Themen und Zeitplänen folgen, bietet die Einzelberatung einen individuellen Raum zum Lernen im eigenen Tempo. Hier können Ratsuchende genau die Unterstützung bekommen, die sie gerade brauchen, ohne sich überfordert oder ausgegrenzt zu fühlen.
Individuelle, praxisnahe Hilfe zur Selbsthilfe
Die Beratung setzt an den konkreten Fragen der Ratsuchenden an. Es geht nicht um allgemeine Theorie, sondern um Hilfe zur Selbsthilfe. Ratsuchende können ihr eigenes Gerät mitbringen und selbst an ihrem individuellen Problem arbeiten.
Aufbau von Gemeinschaft und sozialen Kontakten
Die wiederkehrende Beratung durch vertraute Ansprechpersonen vermittelt das Gefühl, wahrgenommen zu werden und gibt den Ratsuchenden Halt. Zugleich schafft die Beratungsstelle einen Raum der Begegnung, an dem Menschen, über vermeintliche Grenzen hinweg, ins Gespräch kommen. Auch der Austausch unter den Ratsuchenden fördert neue soziale Kontakte und mitunter die Entstehung von neuen Netzwerken. Dies kann einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Besuchenden weniger allein oder isoliert fühlen. In Obernburg wurde das Angebot z.B. als offener Treff mit Kaffee, Spielen und Gesprächen gestaltet. Die Digitalberatung war nur ein Teil davon. So konnten leichter neue Zielgruppen erreicht werden und ein Austausch über digitale Themen hinweg wurde ermöglicht.
Abbau von Unsicherheit und Ängsten
Viele Besuchende, insbesondere ältere oder digital unerfahrene Personen, haben Hemmungen im Umgang mit Smartphone, Tablet oder Internet. Oft fehlen ihnen geeignete Anlaufstellen, die auf ihr Wissensniveau zugeschnitten sind. Manche haben zwar Familie, Bekannte oder Freund:innen, diese nehmen sich aber nicht die Zeit, wohnen weit entfernt oder sind nicht immer geduldig genug, um zu unterstützen. Vielleicht gibt es auch Scham diese Fragen im näheren Umfeld zu stellen. An der Theke sind alle Fragen zur Digitalisierung erlaubt und es wird kein Wissen vorausgesetzt. Die persönliche, geduldige und niedrigschwellig motivierende Unterstützung an einer Beratungstheke bietet den Raum und die Zeit für die Fragen. Die Beratung setzt bei der Geschwindigkeit und bei den unmittelbaren Fragen der Ratsuchenden an und die Bedienung wird direkt am Gerät eingeübt. Durch diesen lebensweltnahen Ansatz werden Hürden und damit verbundene Ängste abgebaut und die Besucher:innen gewinnen Sicherheit im Umgang mit digitalen Medien.
7. Die Beratung
In der Schulung für die Beratenden besprechen wir den genauen Ablauf der Beratung ausführlich. Dabei behandeln wir alle Schritte von der Raumvorbereitung bis zur Dokumentation der Beratungen. Zur weiteren Vertiefung kann das Handbuch „Digitalen Hilfe” mit praxisnahen Tipps und Übungen als Download genutzt werden.
Dauer einer Beratung
Der zeitliche Rahmen für Beratungsgespräche sollte klar festgelegt werden, zum Beispiel auf 45 bis 60 Minuten pro Person, abhängig von der Situation und verfügbaren Ressourcen. Die Dauer festzulegen ist auch sinnvoll, da die Konzentration im Verlauf nachlässt und zu viele Informationen auf einmal überfordern können. Ratsuchende haben die Möglichkeit weitere Beratungstermine wahrzunehmen, um die Themen schrittweise zu bearbeiten. Eine direkte Einladung zum nächsten Termin kann dabei hilfreich sein. Gleichzeitig gilt es darauf zu achten, dass weitere Besuchende nicht zu lange warten müssen.
Raumvorbereitung
Bevor die Beratung beginnt, sollte der Raum vorbereitet sein. Dazu gehört eine ruhige, freundliche Atmosphäre mit ausreichend Sitzgelegenheiten und guter Beleuchtung. Es ist sinnvoll, Materialien wie Flyer, Infoblätter, Notizblöcke und Stifte bereitzulegen. Auch der technische Arbeitsplatz sollte bereit sein, inklusive WLAN und ggf. Stromquellen.
Ankommen und Begrüßung
Die Ratsuchenden werden bei ihrer Ankunft begrüßt und bei Bedarf in den Wartebereich begleitet. Dort können sie Informationsmaterial durchsehen oder einfach in Ruhe ankommen. Sobald die beratende Person bereit ist, beginnt die Beratung.
Zielklärung und Gesprächseinstieg
Gemeinsam mit der ratsuchenden Person wird das Anliegen besprochen. Was soll in der Beratung erreicht werden? Gibt es konkrete Fragen oder Probleme? Die Zielklärung hilft dabei, die Beratung zu strukturieren und die Erwartungen zu klären. Falls mehrere Themen angesprochen werden, wird gemeinsam priorisiert.
Gemeinsames Arbeiten am Anliegen
Im Anschluss an die Zielklärung wird direkt am mitgebrachten Gerät gearbeitet. Die beratende Person unterstützt beim Ausprobieren, Erklären und Lernen. Dabei wird auf einfache Sprache geachtet, Rückfragen sind jederzeit erwünscht. Wichtig ist, dass die Ratsuchenden möglichst selbst aktiv werden. Die Beratung orientiert sich individuell an Tempo, Vorkenntnissen und Bedarf.
Dokumentation und Notizen
Wichtige Inhalte der Beratung können gemeinsam schriftlich oder visuell festgehalten werden, z.B. in Form von Notizen, Skizzen oder Screenshots. Diese Aufzeichnungen helfen, das Gelernte zu sichern und zu Hause selbstständig weiterzuarbeiten. Auch weiterführende Materialien oder digitale Angebote können empfohlen werden. Wesentlich ist aber das Learning by Doing und die Übung. Dieses kann nicht durch die Notizen ersetzt werden.
Abschluss und Verabschiedung
Zum Schluss wird noch einmal zusammengefasst, was erreicht wurde. Falls gewünscht, können weitere Schritte besprochen oder ein Folgetermin vorgeschlagen werden. Die Verabschiedung erfolgt wertschätzend und mit dem Ziel, die Ratsuchenden gestärkt und gut informiert zu entlassen. Intern kann die Beratung dokumentiert werden, um Entwicklungen nachvollziehen zu können und das Angebot weiterzuentwickeln. Das Auswertungstool von „zusammen digital“ kann gerne hierfür genutzt werden.
> Was wird gefragt?
Erhebung im Rahmen von „zusammen digital“ unter 30 bayerischen Kommunen im Zeitraum 2024 — 2025
Die häufigsten Fragen in unseren Beratungen beziehen sich vor allem auf die Nutzung und Bedienung von Smartphones. Besonders häufig geht es dabei um Messenger-Dienste, gefolgt von E‑Mail-Anwendungen und der Installation von Apps. Viele Ratsuchende benötigen zudem Unterstützung im Umgang mit Fotos und Videos, etwa beim Ansehen, Speichern oder Versenden. Auch das Anlegen von Accounts, zum Beispiel für E‑Mail oder WhatsApp, sowie Erklärungen zu Updates gehören zu häufigen Anliegen. Grundlegende Einstellungen am Smartphone und das korrekte Speichern von Kontakten sind weitere wichtige Themen. Ebenso wird oft gefragt, wie man Apps deinstalliert. Insgesamt zeigt sich, dass vor allem die grundlegenden Funktionen rund um Kommunikation und Medienverwaltung im Fokus der Beratung stehen.
> Grenzen der Beratung
Das Beratungsangebot hat klare inhaltliche und formale Grenzen. Siehe hierzu auch Schutzkonzept.
Eigene Grenzen
Es ist wichtig, dass Berater:innen ihre eigenen Belastungsgrenzen kennen und achten. Professionelles Handeln bedeutet auch, sich Unterstützung zu holen oder Gespräche zu beenden, wenn die Situation dies erfordert. Supervision und kollegialer Austausch sind dabei hilfreiche Ressourcen.
Grenzüberschreitendes Verhalten
Im Beratungsgespräch ist ein respektvoller und diskriminierungsfreier Umgang unerlässlich. Äußerungen oder Verhaltensweisen, die Hass, Ausgrenzung, körperliche oder verbale Gewalt, sexuelle Belästigung, wiederholte Unterbrechungen oder andere Formen von Grenzüberschreitungen beinhalten, werden nicht akzeptiert.
Hausbesuche?
Hausbesuche sind in der Regel nicht vorgesehen und erfordern eine Weitervermittlung an passende lokale Dienste.
In Eckental wird z.B. mit der Nachbarschaftshilfe kooperiert, dadurch konnten Hausbesuche umgesetzt werden.
Kaufberatung
Bei Kaufentscheidungen sollten Berater:innen neutral bleiben und keine konkreten Anbieter empfehlen, sondern gemeinsam mit den Ratsuchenden passende Optionen prüfen. Eine Checkliste, mit möglichen Kriterien der Ratsuchenden kann bei www.zusammen-digital.de heruntergeladen werden.
Fachfragen
Spezielle Fachthemen sowie rechtliche Anliegen im digitalen Raum sollten an Fachstellen, Banken, Polizei oder Verbraucherschutz weitergeleitet werden. Auch bei Hardwareproblemen wie defekten Geräten liegt die Lösung meist außerhalb des Angebots. Hier sollte an Reparaturservices verwiesen werden.
Keine Sozialberatung
Wichtig ist auch die Abgrenzung zur Sozialberatung: Für psychosoziale oder persönliche Anliegen sind andere Stellen oder Angebote zuständig. Diese können über eine gut zugängliche Kontaktliste, Flyer oder im Gespräch vermittelt werden. Bei Bedarf ist es wichtig, Grenzen klar und wiederholt zu kommunizieren.
> Umfragetool
Um die Beratungen systematisch zu erfassen, nutzen wir ein digitales Umfragetool. Die beratenden Personen gelangen über einen Link oder QR-Code zu einer kurzen, anonymisierten Eingabeseite. Dort beantworten sie nach jeder einzelnen Beratung einige Fragen. Das dauert nur wenige Minuten. Es werden dabei keine personenbezogenen Daten erfasst, die direkt auf eine Person zurückzuführen wären.
Die Organisation vor Ort erhält anschließend eine Übersicht der gesammelten Daten der eigenen Beratungstheke. Zusätzlich hat das JFF Zugriff auf die Informationen aller teilnehmenden Kommunen.
Darum lohnt es sich das Umfragetool zu nutzen:
Es lassen sich Muster und Bedarfe erkennen (z. B. wer erreicht wird, welche Themen häufig sind)
Rückschlüsse auf die Wirksamkeit von Werbung werden möglich
Zeitliche Trends werden sichtbar (z. B. wann besonders viele oder wenige Personen kommen)
Daten können für Weiterentwicklung und Berichterstattung genutzt werden
Das JFF analysiert die Gesamtdaten und stellt übergreifende Erkenntnisse allen Kommunen zur Verfügung
Möchten Sie das Tool ebenfalls nutzen? Dann schreiben Sie uns eine Nachricht an zusammendigital@jff.de
Eine Anleitung zur Anmeldung finden Sie hier.
> Wichtig zu wissen!
Sind die Geräte der Ratsuchenden bei der Beratung versichert?
Während der Beratung verbleiben die digitalen Endgeräte möglichst durchgehend in den Händen der ratsuchenden Person. So behalten diese jederzeit die Kontrolle über das, was auf dem Gerät geschieht. Aktionen erfolgen nur mit ihrer Zustimmung und alle Eingaben, wie z.B. das Tippen von Passwörtern oder das Bestätigen von Einstellungen, werden selbst vorgenommen. Dieses Vorgehen schützt nicht nur persönliche Daten, sondern stärkt auch die Eigenverantwortung der Ratsuchenden.
Die ehrenamtlich Beratenden stehen in einem Rechtsverhältnis zu ihrer jeweiligen Kommune/Institution. Sie handeln also als Erfüllungsgehilfe der Kommune/Institution. Im Falle eines Schadens an einem Gerät, z.B. das Handy fällt den Beratenden herunter und geht dabei kaputt, haftet daher die Kommune/Institution. Für selbstverschuldete Schäden, wie etwa ein Sturz des Handys aus der eigenen Hand oder dem Download eines Virus über allgemein zugängliche Apps, trägt die ratsuchende Person das Risiko selbst. In solchen Fällen greift das sogenannte Allgemeine Lebensrisiko und es gibt klare Abgrenzungen, wann und für welche Schäden gehaftet wird.
Schäden an Geräten der Kommune sind über die jeweilige Versicherung der Kommune abgedeckt. Das sollte im Vorfeld geklärt werden.
Wie sieht es aus mit Datenschutz?
In der Beratungspraxis kann es vorkommen, dass die Besuchenden persönliche Informationen auf ihren Endgeräten preisgeben, wie beispielsweise beim Einrichten eines E‑Mail-Kontos. Die Beratenden werden darauf vorbereitet, in solchen Momenten achtsam zu agieren, beispielsweise indem sie den Blick abwenden, wenn Passwörter eingegeben werden. Ratsuchende sollten im Vorfeld darüber informiert werden, was im Rahmen der Beratung sichtbar werden kann. Grundsätzlich wird auf sensible Anwendungsbereiche, wie z. B. Online-Banking, verzichtet. Hier verweisen die Kommunen auf die zuständigen Stellen.
Geräte teilweise veraltet
Einige Geräte, die zur Beratung mitgebracht werden, sind teilweise sehr veraltet. In einigen Fällen sind die Betriebssysteme so alt, dass keine aktuellen Sicherheitsupdates oder App-Versionen mehr installiert werden können. Das schränkt die Möglichkeiten der Unterstützung erheblich ein und erschwert es den Beratenden, Lösungen anzubieten, die dem heutigen digitalen Standard entsprechen. Gleichzeitig erhöht sich dadurch das Risiko für Sicherheitslücken, was einen sensiblen Umgang mit den Empfehlungen durch die Beratenden erfordert.
Wissen über Zielgruppen und individuelle Bedürfnisse
In der Schulung erhalten Beratende wichtige Informationen zur Zielgruppe, die für die erfolgreiche Beratung entscheidend sind. So ist es beispielsweise bedeutsam, die unterschiedlichen Motivationen der Ratsuchenden zu verstehen, sich mit digitalen Themen auseinanderzusetzen. Je nach Antrieb können Einstellungen und Hemmschwellen sehr unterschiedlich ausfallen.
Beispiel: Schrobenhausen
Daten: Stadt in Oberbayern, ca. 18.000 Einwohner:innen
Thekenort: Räume des Seniorenbeirats, Konzertsaal der Maria-Ward Mädchenrealschule in Schrobenhausen im Stil eines „Wiener Caféhauses“
Öffnungszeiten: Jeden Freitag 10:00 – 12:00 Uhr, 1x im Monat in der Schule
Motivation: „Der Seniorenbeirat hatte im Laufe der letzten Jahre eine große Unsicherheit im Umgang mit den digitalen Endgeräten, und daraus resultierend, einen großen Bedarf an Schulungen von Senioren am Smartphone, Tablett und PC festgestellt. Die Senioren fühlen sich durch die zunehmende Digitalisierung allein gelassen und dadurch überfordert. Die Theke soll barrierefrei Abhilfe schaffen.“
Entlohnung Beratende: Ehrenamtlich, oder im Rahmen der Schulzeit; für die Schülerinnen „Arbeitskleidung“ in Form eines Hoodies mit Schullogo und dem Schriftzug „zusammen digital“ und 10 Euro Aufwandsentschädigung je Sitzung
Durchschnitt Besuchende: ca. 6 Personen an der Theke, 10 bis 15 in der Schule
Besonderheiten: Es gibt getrennte Beratungen für Fragen zu unterschiedlichen Betriebssystemen (iOS, Android), aber auch Probleme mit Laptop und PC werden besprochen und gelöst.
Herausforderungen: Beratende zu finden, zielgruppengerechte Öffentlichkeitsarbeit, Finden von Kooperationspartnern, Einrichten einer IT-Infrastruktur für die Beratung, Raumüberlassung durch die Kommune, …
Tipp: Kooperation mit Schulen, Jugendparlament
Highlight: Für die Jugendlichen die Jugendfreizeiten im Rahmen von zusammen digital. Für die Senior:innen die Beratung durch die Jugendlichen bei Kaffee und Kuchen. Für die Ehrenamtlichen der Dank der Beratenen. Für die Projektverantwortlichen die Netzwerktreffen.
8. Kooperation lohnt sich!
Kooperationen mit anderen Einrichtungen aus dem Feld, Schulen oder innerhalb der eigenen Kommune sind entscheidend für die nachhaltige Etablierung der Beratungstheke.
> Kooperation mit Schule
In einigen Kommunen gibt es bereits feste Kooperationsstrukturen mit Schulen, beispielsweise in Form eines Wahlfachs oder durch die Anrechnung des Engagements als Praktikumsersatz (z. B. in der FOS/BOS).
Beispiel: Gunzenhausen
Daten: Stadt in Mittelfranken, ca. 17.000 Einwohner:innen
Öffnungszeiten: Jeden Mittwoch 13:30 – 14:30 Uhr, außer in den Schulferien
Akteure: Verein gunnet e.V., Kommune mit Sachgebiet Digitalisierung, Stephani-Mittelschule, Schulsozialarbeit, Diakonie Südfranken, Seniorenheim, Seniorenbeirat
Motivation: Unterstützung der älteren Mitbürger:innen, mit der zunehmenden Digitalisierung Schritt zu halten. Individuelle Beratung undtechnische Unterstützung.
Entlohnung Beratende: Ehrenamtlich, oder im Rahmen der Schulzeit
Durchschnitt Beratungen: ca. 4 Personen pro Beratungstag
Besonderheiten: Die Beratung ist als Schul-AG fest im Unterricht verankert. Die Beratung findet direkt in einem Seniorenheim sowie mobil auf dem Wochenmarkt statt.
Herausforderungen: Akquise der Beratenden
Highlight: Die Jugendlichen zu sehen, wie sie von Anfang an mit Freude und Tatendrang beraten haben. Auch die Dankbarkeit der älteren Gäste und die herzliche Kommunikation zwischen Jung und Alt ist begeisternd und von großem gegenseitigem Respekt geprägt.
Interview mit Martin Bosch, Initiator ‚zusammen digital‘ in Gunzenhausen
Martin Bosch, *1956, verheiratet, aufgewachsen in Burghausen, 1975 Abitur, anschließend Studium der Sonderpädagogik in München und Würzburg. Tätigkeit als Sonderschullehrer an der Seb.-Strobel-Schule in Herrieden und an der Altmühlfrankenschule am Standort Gunzenhausen, zuletzt als Konrektor. Seit 2020 im Ruhestand. Vorsitzender des Vereins gunnet e.V.
Was hat dich dazu bewegt für das Projekt ‚zusammen digital‘ eine Kooperation mit einer Schule anzustreben? Ein Filmbericht des Bayerischen Fernsehens, in dem eine Schul-Kooperation eines ähnlichen Projektes in Forchheim beschrieben wurde.
Wie kam es zu der Kooperation mit der Stephanie-Mittelschule? Durch meinen guten Kontakt aus meiner beruflichen Zeit zum Sozialpädagogen der Stephanischule. Diesen habe ich angesprochen. Daraufhin starteten wir gemeinsam das Projekt über die Diakonie Südfranken. Mit dem Start von „zusammen digital” gelang es auch die Schule mit einer Lehrkraft als Ansprechpartnerin in das Projekt zu integrieren.
Wie ist zusammen digital in den Schulalltag integriert? Die SchülerInnen nehmen im Rahmen eines Neigungskurses am Projekt teil. (Hinweis der Redaktion: ein Neigungskurs ist eine Schul-AG).
Wie habt ihr es geschafft die Schule dafür zu begeistern? Die Schule ist Medienreferenzschule, daher war sofort die Bereitschaft da, mitzumachen.
Welche Hindernisse gab es zu bewältigen? Dank der sehr guten Zusammenarbeit auch mit der Stadt Gunzenhausen gab es bisher keine besonderen Hindernisse oder Schwierigkeiten.
Welche Jahrgangsstufe und welche Vorkenntnisse sollten die Schüler:innen haben, die bei der Beratung mitmachen? Die Jugendlichen besuchen vornehmlich die 9. und 10. Klasse. Sie sollten über technische Grundlagenkenntnisse zu digitalen Medien sowie soziales Einfühlungsvermögen verfügen.
Wie habt ihr die Schüler:innen dafür motiviert bekommen? Das Projekt wurde von der Lehrkraft und Schulsozialpädagogen in den in Frage kommenden Klassen vorgestellt und die Schüler haben sich dann dafür gemeldet.
Wie werden die Schüler:innen auf die Beratung vorbereitet? Zu Beginn des Schuljahres gab es das Einführungsseminar des JFF.
Gibt es eine Belohnung für die Schüler:innen? Grundsätzlich ist die Teilnahme ehrenamtlich. Aus dem „zusammen digital”-Etat bzw. von den Spenden, die durch die Senioren undSeniorInnen eingehen, haben wir Gutscheine finanziert z.B. für Kino, McDonald‘s oder Amazon. Außerdem gibt es zum Ende eines Schuljahres eine Einladung zum Burger- oder Eisessen.
Deine Vision 2050 für zusammen digital in Gunzenhausen? Falls es da immer noch das Problem gibt, dass ältere Menschen mit der Digitalisierung Probleme haben, wünsche ich mir, dass es immer noch so tolle Jugendliche gibt, wie wir sie gefunden haben, die bereit sind den Älteren zu helfen.
Interview mit dem Schulleiter Frank Puschner von Schrobenhausen (Kooperation mit der zusammen digital-Theke vor Ort)
Frank Puschner ist promovierter Pädagoge und seit 2011 an der Maria-Ward-Realschule Schrobenhausen als Lehrkraft und Konrektor tätig und hat dort im Jahr 2022 die Schulleitung übernommen.
Was hat Sie dazu bewegt eine Kooperation mit zusammen digital einzugehen? Generationenübergreifende Zusammenarbeit wird bei uns an der Schule seit je her großgeschrieben, denn diese stärken das Gefühl von Zusammenhalt in der Gesellschaft – sie zeigen, dass alle Altersgruppen voneinander lernen und profitieren können. Durch den Kontakt mit älteren Menschen lernen Schülerinnen, empathisch, geduldig und respektvoll mit anderen umzugehen – besonders mit Menschen, die ein anderes Leben geführt haben und andere Sichtweisen mitbringen. Außerdem entwickeln sie ein Verständnis für andere Lebensrealitäten, denn ältere Generationen haben oft ganz andere Erfahrungen gemacht – z. B. Krieg, Nachkriegszeit, analoge Welt. Diese Perspektiven helfen Schülerinnen, die Welt differenzierter zu sehen und ihre eigene Lebenssituation besser einzuordnen. Zusätzlich können im direkten Kontakt mit Seniorinnen und Senioren Schülerinnen oft Vorurteile abgebaut werden – z. B. dass ältere Menschen immer „altmodisch“ oder „nicht mehr aktiv“ seien. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass sie lernen auch Verantwortung für Menschen, Abläufe und Inhalte zu übernehmen , wenn Schülerinnen z. B. ein Projekt mit Seniorinnen und Senioren planen oder betreuen. Aber der wohl für mich gewichtigste Punkt ist der direkte Austausch, denn ältere Menschen bringen oft ein großes Erfahrungswissen mit, das sie an Jüngere weitergeben können – sei es handwerklich, geschichtlich oder kulturell. Umgekehrt können Schülerinnen auch digitale Kompetenzen einbringen und so ihr Wissen weitergeben.
Wie wurde zusammen digital in den Schulalltag integriert? Gemeinsam mit der betreuenden Lehrkraft, Frau Birte Schäfer und Herrn Baumgartner vom Seniorenbeirat, haben wir überlegt, was hier das zielführendste Vorgehen ist und waren uns recht schnell einig, dass es ein regelmäßig wiederkehrendes Angebot sein sollte. Ein Abstand von ca. 4 Wochen schien uns hier am zielführendsten zu sein. Unser hauseigener Konzertsaal wird jedes Mal im Stil eines „Wiener Caféhauses“ hergerichtet und es werden Getränke, Kaffee und süße Teilchen bereitgestellt. Es soll eine zwanglose, gemütliche Atmosphäre geschaffen werden, in der sich alle Beteiligten wohl fühlen.
Welche Hindernisse von Seiten der Schule gab es zu bewältigen? Eigentlich keine. Das entscheidende an diesem Projekt ist, dass wir Schülerinnen akquiriert bekommen, die gerne ihr technisches Know-how weitergeben und das ist Frau Schäfer absolut gelungen. Außerdem verläuft die Zusammenarbeit des Seniorenbeirats der Stadt Schrobenhausen und uns sehr harmonisch. Sprich kurze Dienstwege und ein regelmäßiger Austausch sind hier entscheidend. So kann jeder seine Ressourcen bestmöglich einbringen und das Projekt zum Erfolg führen.
Welche Jahrgangsstufe und welche Vorkenntnisse sollten die Schüler:innen haben, die bei der Beratung mitmachen? Insgesamt hat unsere „zusammen digital“ AG 14 Schülerinnen, was großartig ist. Die Schülerinnen sind buntgemischt von der 7. Klasse bis zur 10. Klasse (ja auch aus diesen hatten wir 3 Schülerinnen, die trotz Prüfungen und lernen immer wieder dabei waren). Erfahrungsgemäß sind die Schülerinnen aus den unteren Stufen noch zu klein, um mit speziellen Apps – sei es zum Einkaufen, Buchen eines Arzttermins, Banking usw. — umgehen zu können. In den meisten Fällen fehlt ihnen da der persönliche Zugang und somit können sie ihre Erfahrungen und Kenntnisse nicht weitergeben. Selbst die Schülerinnen der 7. Jahrgangsstufe sind oft mit solchen Themen nicht vertraut. Besondere Vorkenntnisse benötigen die Schülerinnen keine, da diese mit den digitalen Geräten aufwachsen und ohne große Einarbeitung Rede und Antwort stehen können. Außerdem wird hier „Teamwork“ groß geschrieben. Sollte also eine Schülerin mal nicht weiterwissen, kann vielleicht eine Mitschülerin bei dem Problem aushelfen.
Wie haben Sie die Schüler:innen dafür motiviert bekommen? Es wurden gezielt technikaffine Schülerinnen angesprochen, ob sie sich das nicht vorstellen könnten und ja, irgendwie haben diese sich dann dazu berufen und vielleicht sogar ein wenig geehrt gefühlt, persönlich ausgewählt worden zu sein.
Wie werden die Schüler:innen auf die Beratung vorbereitet? Zu Beginn des Schuljahres gab es eine kleine Einführung durch Frau Schenk, welche das Projekt vor Frau Schäfer betreut hat. Anschließend folgte „learning by doing“ und die Schülerinnen stellten sich den Fragen der Senioren. Nicht selten waren es für die Schülerinnen oft nur ein paar „Klicks“ um das Problem zu lösen. Meistens haben die Mädels schon “ihre Stammkunden”, die sie regelmäßig alle vier Wochen betreuen und konnten so einfach an dem Punkt weitermachen, an dem sie stehen geblieben sind.
Gibt es eine Belohnung für die Schüler:innen? Ja, auch wenn es ein offizielles Wahlfach bei uns an der Schule ist, haben die Schülerinnen vom Seniorenbeirat eine Art „Arbeitskleidung“ in Form eines Hoodies mit Schullogo und dem Schriftzug „zusammen digital“ vom Seniorenbeirat gestiftet bekommen. Zusätzlich werden sie am Schuljahresende offiziell für ihren generationsübergreifenden Einsatz mit einem Zertifikat und einem kleinen Präsent geehrt. Von der Stadt Schrobenhausen gab es bis März für jede Schülerin, die an dem Projekt teilnahm jeweils 10 Euro Aufwandsentschädigung. Das, denke ich, war natürlich auch ein großer Anreiz jedes Mal anwesend zu sein. Seitdem das Förderprogramm in Schrobenhausen ausgelaufen ist, entfällt dies und trotzdem kommen die Schülerinnen nach wie vor. Selbst für nächstes Schuljahr habe ich schon Anfragen, ob wir dieses Wahlfach weitermachen können.
Ihre Vision 2050 für die Kooperation zwischen zusammen digital und ihrer Schule? Der technische Wandel nimmt immer mehr Fahrt auf und nicht nur für Senioren ist es schwer hier Schritt zu halten. Daher ist es meines Erachtens unabdingbar, dass genau solche Angebote generell weiter ausgebaut werden müssen, um den Anschluss in einer immer technologisierteren Welt nicht zu verlieren. Für uns steht auf jeden Fall nach zwei Jahren Teilnahme an dem Programm fest, dass es für alle beteiligten absolut gewinnbringend ist. Also: Wir bleiben definitiv dabei!
> Kooperation mit der VHS
Beispiel: Selb
Daten: Große Kreisstadt in Oberfranken, ca. 15.000 Einwohner:innen
Thekenort: Café im FAM-EJF Familienzentrum, Karl-Marx-Straße 8, 95100 Selb
Öffnungszeiten: Jeden Donnerstag 15:00 – 16:30 Uhr (außer in den Schulferien und an Feiertagen)
Akteure: Volkshochschule Fichtelgebirge, FAM-EJF Familienzentrum, Seniorenbeirat der Stadt Selb, JAM – Jugend- & Kulturzentrum
Motivation: „Der Bedarf an digitaler Einführung/Fortbildung für Senior:innen ist ungebrochen aufgrund der rasanten Fortentwicklung im Bereich Smartphones/Tablets. Die Stadt Selb will ihre Bürger:innen im Bereich der digitalen Teilhabe Unterstützung bieten und ein bestmögliches Angebot zur Verfügung stellen.“
Beratende: Freie Akquise von Ehrenamtlichen über Vereine, Schulen, Presseartikel, etc.
Entlohnung Beratende: Einkaufsgutscheine
Durchschnitt Besuchende: ca. 3 Personen
Besonderheiten: Beratung im Sommer 2024 direkt im Seniorenheim.
Herausforderungen: Organisation der Termine mit den beratenden Jugendlichen. Nachfrage nach Beratung könnte höher sein.
Highlight: Engagement der Jugendlichen und Wertschätzung durch die Ratsuchenden.
Interview mit Renate Knaup (VHS/Mehrgenerationenhaus) und Andreas Rottmann (Kultur und Museen in der Schranne) Bad Königshofen
Renate Knaut, Standortleitung der vhs Rhön-Grabfeld in Bad Königshofen mit Mehrgenerationenhaus Textverarbeitung, E‑Mails, Suchmaschinen, Netbook, Skype, Social Media, Laptop, Blended-Learning, Smartphone, vhs-Cloud, Zoom, Kindle, Tablet… Ich bin 53 Jahre alt und meine digitale Vita begann im Studium mit den ersten E‑Mails, Internetrecherchen und einem Alcatel-Handy, auf dem sich SMS nur in Großbuchstaben schreiben ließen. Technische Details und Spielereien erschließen sich mir schwer, neben der berufsbezogenen Nutzung schätze ich digitale Medien besonders für Kommunikation und Information.
Andreas Rottmann, Leiter Kultur und Museen in der Schranne, Bad Königshofen C 64, Amiga, Sensible Soccer, Telekom-BTX, Game Gear, Fifa, Windows 95, Skyper, ISDN, erstes (Motorola) Handy, Nokia3650, E‑Book-Reader auf Symbian, Base Android Smartphone, X‑Box, Samsung Galaxy, Laptop, Tablet, Fire, Kindle, Alexa, Glasfaser, Linux, KI… Ich bin 63 und meine digitale Vita begann mit ca. 25 Jahren. Eigene Beratungserfahrung zunächst als „Stonie der Steinzeitmensch“ für Grundschulkinder sowie vhs-Kurse für Kinder (Internetführerschein) und Erwachsene (Android), jeweils gemeinsam mit Renate Knaut.
Wie passt VHS und zusammen digital zusammen? Wir finden, das passt ganz ausgezeichnet: Die offene Beratung, die „zusammen digital“ bietet, wird ergänzt durch vhs-Kurse, die in Gruppen stattfinden und ein Thema vertiefen. Die offene Beratung kann motivieren, einen Kurs zu besuchen, und in der Beratung können ganz individuelle Fragen beantwortet werden. Die jugendlichen Berater*innen werden auf die vhs aufmerksam und können sich perspektivisch als Kursleitung qualifizieren und erproben. Unsere vhs versteht sich als eine Einrichtung, die in Netzwerken arbeitet, über die Kernarbeit hinausdenkt und sich aktuellen Themen niederschwellig für die Menschen öffnet.
Wie kam es zu der konkreten Kooperation? Das JFF war uns über frühere Projekte im Rahmen der gemeinsamen Jugendkulturarbeit von vhs, Museen und Jugendzentrum positiv bekannt. Unsere vhs ist Träger des Mehrgenerationenhauses für den Landkreis und fördert darüber offene Angebote, die Begegnung der Generationen und bürgerschaftliches Engagement. Der an fast allen Tagen im Jahr geöffnete Offene Treff des MGH befindet sich in den in unmittelbarer Nähe zur vhs gelegenen Museen in der Schranne. Die Antragstellung war zunächst für das MGH gedacht, musste aber über die Kommune laufen. In die Museen in der Schranne ist der Treffpunkt Grabfeld als dritte Einrichtung integriert und ist neben den beiden Museen eine städtische Einrichtung mit soziokulturellen Themen. Damit konnte der Antrag gestellt werden.
Wie ist zusammen digital in der VHS integriert? Unser Netzwerk aus vhs, MGH, JuZ, Museum und soziokulturellem Zentrum ermöglicht ein breites Angebot für verschiedene Zielgruppen und die Nutzung unterschiedlicher Förderangebote.zusammen digital ist Teil der Arbeit unseres Mehrgenerationenhauses, dessen Träger die vhs ist. Die Beratung wird in unserem Programmheft und auf der Internetseite bekannt gemacht. Die jungen Berater*innen stammen aus verschiedenen Kulturen, zwei haben Integrationskurse an unserer vhs absolviert, erproben durch die Beratung ihre Sprache und können mehrsprachig beraten.
Neben klassischen Beratungsthemen, die Smartphone‑, Tablet, Laptop und Internet betreffen, können wir auch zu speziellen Themen gezielt auf die Beratung hinweisen, was auch gerne genutzt wird. So unterstützen unsere jugendlichen Berater*innen v.a. Eltern mit Zweitsprache Deutsch bei der digitalen Buchung unserer Ferienprogramme, die in allen Schulferien stattfinden.
Unsere vhs hat in den letzten Jahren das Kursmanagement digitalisiert, dies betrifft auch unsere Kursleiter*innen, die nun u.a. ihre Planung und Teilnahmelisten über ihren Kursleitungsaccount verwalten. Auch hier helfen unsere Berater*innen gerne.
Welche Hindernisse gab es zu bewältigen? Durch die gute Vernetzung, auch mit dem im gleichen Haus wie die vhs befindlichen Jugendzentrum, war die Einrichtung der Beratungstheke relativ leicht umsetzbar. Es hat etwas gedauert, bis das Beratungsangebot angenommen wurde. Die Jugendlichen waren nach der ausgezeichneten Ausbildung durch das JFF hoch motiviert und anfangs etwas traurig, wenn niemand zu einem Beratungstermin kam. Dies hat sich nach einer Anlaufphase und verschiedenen Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, u.a. einem Zeitungsartikel, sehr positiv entwickelt. Ein großes Problem stellt die nachhaltige Fortführung der Beratungstheke dar – finanzielle Mittel müssen zusätzlich generiert werden da es keine Mittel für die Weiterführung gibt.
Wie werden die Berater:innen bei euch entlohnt? Die vom JFF ausgebildeten und sehr verantwortungsvoll tätigen jugendlichen Beraterinnen und Berater erhalten eine Aufwandsentschädigung von 20 € pro Beratungstermin.
Warum würdest du anderen Volkshochschulen empfehlen individuelle Beratungen anzubieten? Wenn unsere Volkshochschulen zukunftsfähig sein wollen, müssen sie sich Kooperationen und neuen Formaten öffnen, die über die klassischen Kursangebote hinausgehen. Junge Menschen aktiv in die vhs-Arbeit einzubeziehen, macht die vhs bei einer sonst oft wenig adressierten Zielgruppe bekannt und hilft, unseren Nachwuchs an Lehrkräften und beim hauptamtlichen Personal zu sichern.
Die Anforderungen an digitale Kompetenzen verändern sich immer schneller, aktuell besonders durch die KI. Volkshochschule kann durch Programme wie zusammen digital nachhaltig eine Marke für Lernfelder mit niederschwelligem Zugang bleiben oder sich zu dieser entwickeln – mit Antworten auf grundlegende gesellschaftliche Fragen, Probleme und Bedarfe. Darauf aufbauend werden Kursangebote zu vielen Bereichen sichtbarer und häufiger genutzt.
Was war ein AHA-Erlebnis bei zusammen digital? Dabei haben wir erfahren, wie individuell der Umgang mit Digitalem ist und wie weit das Themenfeld an Fragen und Problemen sein kann. Die Antragstellung für zusammen digital war für uns selbstverständlich, bot sich doch die Möglichkeit, Digitalberatung niederschwellig, kostenfrei, partizipativ und inklusiv anbieten zu können bei gleichzeitig hochwertige Qualifizierung für das Berater*innenteam durch das JFF. Diese Unterstützung sowie Mittel für eine angemessene Bezahlung der Berater*innen würden das Projekt bei uns nachhaltig sichern.
Eure Vision 2050 für zusammen digital in der VHS in Bad Königshofen? Digitale Grundbildung ist für ALLE niederschwellig zugänglich. Die vhs und ihre Netzwerkpartner bilden ein fest im Ort verankertes Zentrum für Bildung, Kultur und Begegnung mit einem breiten Angebot an Bildungsveranstaltungen und offenen Treffs. Es gibt freiwillig engagierte Menschen verschiedenen Alters, die in offenen Angeboten zu digitalen Themen beraten. Eine kontinuierliche Finanzierung für diese Angebote wird als gesamtgesellschaftlich wichtige Aufgabe bereitgestellt, da sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die Institutionen, die digitale Kompetenzen fordern, sich auch darum kümmern müssen, dass diese Kompetenzen für alle erreichbar sind.
> Kooperation mit der Bibliothek
Würzburg
Stadtbücherei Würzburg
Daten: Stadt in Unterfranken, ca. 130 000 Einwohner:innen
Öffnungszeiten: Jeden Mittwoch 16:00 – 18:00 Uhr Bücherei Falkenhaus im Falkenhaus, jeden 2. Donnerstag im Monat von 15:30 – 17:00 Uhr am Heuchelhof
Akteure: Stadtbibliothek, Studierende, Haus St. Michael – Medizinisch berufliche Rehaeinrichtung, Würzburger Netzwerk der Erwachsenenbildung, Seniorenvertretung
Motivation:„Der Bedarf von Senior:innen an niedrigschwelliger Hilfestellung in Sachen Smartphone und Internet nimmt immer mehr zu. Das wurde in ersten Testterminen und im Austausch mit dem Seniorenvertretung der Stadt und der Erwachsenenbildung in Würzburg deutlich festgestellt. Büchereien als niedrigschwellige Orte zur Weitergabe von Wissen und Information bieten sich da an. Die Idee ist es, regelmäßig und wohnortnah in der Bibliothek ein Angebot der Beratung zu etablieren.“
Entlohnung Beratende: Ehrenamtlich, oder im Rahmen der Ausbildung
Durchschnitt Besuchende: ca. 5 Personen
Besonderheiten: Es gibt keine Anmeldung. Auch blinde Personen kommen zur Beratung. Erste Senior:innen sind in die Berater:innenrolle gewechselt.
Herausforderungen: Kooperation mit Rehaeinrichtung, Vernetzung mit den Stadtteilbibliotheken.
Highlight: Sehr glückliche Ratsuchende und insgesamt sehr viele die gerne immer wieder kommen.
Interview mit Tanja Fottner (TF/Stadtbücherei Augsburg) und Amelie Troßmann (AT/Fachstelle Medienpädagogik Augsburg)
Amelie Troßmann (geb. Riedmann) arbeitet seit Mai 2024 im Amt für Kinder Jugend und Familie, Fachstelle Medienpädagogik als Koordinatorin der Augsburger Medienscouts. Dies sind Jugendliche, die durch verschiedene Medienpädagogische Workshops ihre Medienkompetenz vertiefen und an andere Kinder und Jugendliche vermitteln. Die Augsburger Medienscouts sind der Kern des Projektes zusammen digital. Seit Juni 2024 begleitet und unterstützt sie die Jugendlichen bei diesem Projekt.
Tanja Fottner: Nach zahlreichen Stationen bei der Münchner Stadtbibliothek u.a. als Referentin für Digitale Angebote und Kuratorin digitaler Veranstaltungen und Transformationsprozessen, leitet Tanja Fottner seit 2020 die Stadtbücherei Augsburg. Hier setzt sie einen besonderer Schwerpunkt auf den Ausbau medienpädagogischer Vermittlungsangebote vor allem für Kinder ebenso wie die Unterstützung von digitaler Teilhabe und Souveränität älterer Personen.
Was hat euch dazu bewegt eine Kooperation zwischen zusammen digital und der Bibliothek anzustreben?
AT: Die Ausschreibung für dieses Projekt hat uns Inspiriert und wir hatten sofort eine Idee für die Umsetzung.
TF: Die Stadtbücherei bietet sich als sehr niedrigschwelliger Ort mit guter digitaler Infrastruktur an. Wir erreichen mit unseren Besucherinnen und Besuchern bereits sehr viele Menschen jeden Alters unabhängig von ihrem sozialen oder kulturell geprägten Status, ihrer sexuellen oder religiösen Orientierung. Das waren die besten Voraussetzungen, um dieses tolle Projekt strukturell hier zu verankern.
Wie kam es zu der konkreten Kooperation?
TF: Durch andere gemeinsame Projekte wissen wir um die wertvolle Arbeit der Medienscouts und auch das JFF ist mit seiner Medienstelle Augsburg ein vertrauter und bewährter Kooperationspartner bei Förderprojekten, die meine Medienpädagoginnen und ‑pädagogen in den letzten Jahren im Haus initiiert haben.
AT: Über das Amt für Digitalisierung, Organisation und Informationstechnik. Die damalige Ansprechpartnerin Katrin Mione, war für die Vermittlung und Kooperation zuständig. Sie hat das Projekt verantwortet und bei Räumlichkeiten und Finanzen die Stadtbibliothek sowie das Amt für Kinder Jugend und Familie für die Akquise der Jugendlichen angefragt.
Wie ist zusammen digital in der Bibliothek integriert?
AT: In der Stadtbibliothek gibt es einen Bereich, der für alle zugänglich ist. In diesem Bereich befindet sich ein großer Tisch, der jeden ersten Freitag im Monat zur „zusammen Digital Beratungstheke“ wird.
TF: Örtlich direkt im Eingangsbereich ist das Angebot mit der „Zusammen digital“-Fahne — an unserem Community-Table nicht zu übersehen. So können Menschen zu den monatlichen Terminen spontan teilnehmen – unterstützt durch eine Durchsage – oder viele kommen gezielt über die Ankündigung in unserem Quartalsprogramm oder auf Anregung in Gesprächen an den Informationstheken. Seitens der Stadtbücherei steht eine Kollegin, die die eigenen digitalen Angebote betreut, als koordinierende Stelle bzgl. Raum- und Organisationsmanagement zur Verfügung.
Welche Argumente für zusammen digital in einer Bibliothek würdet ihr benennen?
TF: Bibliotheken stehen für den freien Zugang zu Wissen und Informationen – analog und digital. Die Menschen, die in Bibliotheken arbeiten, sorgen mit ihrer Medien- und Recherchekompetenz dafür, dass alle Zielgruppen zuverlässige Quellen finden können, und unterstützen bei der Handhabung digitaler Datenträger. Wie bereits oben erwähnt, ist eine Bibliothek ein sehr niedrigschwelliger Ort, den man ohne Konsumzwang aufsuchen kann. Alle Menschen, die hierherkommen, tun dies freiwillig, weil sie sich hier wohlfühlen.
AT: Die Besucher, hauptsächlich Senioren, sind immer sichtlich dankbar über die Unterstützung und Beratung. Einige Senioren besuchen die Beratungstheke immer wieder und haben dabei schon ihre Fragen gesammelt aufgeschrieben. Viele wünschen sich, dass die Beratungstheke öfters sattfindet. Die Stadtbücherei ist für dieses Projekt sehr geeignet, da die Bibliothek in der Augsburger Innenstadt liegt und für alle zu erreichen ist. Auch die „Laufkundschaft“ wird auf das Projekt aufmerksam und bringt auch spontane, ungeplante Besucher mit sich. Doch nicht nur die Senioren, sondern auch die Jugendlichen profitieren von der Beratungstheke. Man merkt, dass die Jugendlichen Selbstbewusstsein gewinnen, indem sie offen auf die Senioren zugehen und ihre Hilfe anbieten. Unter den Jugendlichen bilden sich auch meist Freundschaften und kommen somit auch zur Beratungstheke, um ihre Freunde zu treffen.
Welche Hindernisse gab es zu bewältigen?
TF: Das Angebot dauerhaft bekannt zu machen. Die lokale Presse hat das Format leider fast gar nicht aufgegriffen, obwohl die Schnittmenge Zeitungslesende zu potenziell Nutzende von „zusammen digital“ sicher nicht unerheblich wäre.
AT: Drei Punkte fallen mir da direkt ein: Es ist schwierig, junge Menschen ohne Gegenleistung zu motivieren. Die Jugendliche benötigen externe Schulungen, damit sie sich sicherer und kompetenter vor den Senioren fühlen und auftreten. Die Jugendliche brauchen Begleitung vor Ort, damit sie schwierige oder herausfordernden Situationen besser bewältigen können.
Welche Vorteile ergeben sich für euch durch die Kooperation?
TF: Durch die Medienscouts erhalten wir personelle Unterstützung bei unserem Bestreben, mehr Menschen digital kompetenter zu machen; wir erweitern auch unser eigenes Know how vor Ort hinsichtlich der Bedürfnisse der Aufsuchenden von zusammen digital. Wir erschließen außerdem neue Zielgruppen auch für andere Angebote in der Stadtbücherei.
AT: Der Mehrgenerationengedanke wird in der Stadt gestärt. Die Jugendlichen bekommen eine sinnvolle Ehrenamtstätigkeit, die sowohl Medien- als auch Sozialkompetenzen fördert zudem werden die Sorgen und Fragen von Senioren anerkannt und im Eingangsbereich der Bibliothek sichtbar.
Eure Vision 2050 für zusammen digital in der Bibliothek Augsburg?
TF: Die Stadtbücherei Augsburg ist als kompetente Anlaufstation und Kooperationspartnerin für digitale Angebote und deren Vermittlung etabliert und bietet diesen Service auch an vielen anderen Orten (Seniorenheimen, zuhause bei nicht mobilen Personen an) und fördert damit auch aktiv den intergenerationalen gesellschaftlichen Austausch und wirkt gegen Vereinsamung. Dabei steht bis dahin auch zunehmend im Vordergrund, dass die Zielgruppe selbst kreativ wird mit digitalem Equipment und eigene Inhalte erschafft. Daneben spielt der Community-Gedanke im Hinblick auf den Umgang mit offenen Daten eine wichtige Rolle und die Stadtbücherei ist regelmäßig Gastgeberin von Hackathons und ähnlichen Formaten.
AT: Da die zusammen digital Beratungstheke so viel positiven Zuspruch bekommt und die Senioren jedes Mal sehr dankbar sind, versuchen wir dieses Projekt weiterzuführen, was ohne finanzielle Unterstützung sehr schwierig ist. Die Jugendlichen unterstützen das Projekt in ihrer Freizeit. Aus diesem Grund wäre es weiterhin wünschenswert, die großartige und extrem wichtige Arbeit zu belohnen, auch wenn es nur Snacks sind. Dies wirkt sich nämlich sehr positiv auf die Motivation und dem Wohlbefinden bei dem Einsatz aus.
> Kooperation innerhalb der Kommune
Beispiel: Poing
Daten: Gemeinde in Oberbayern, ca. 17.000 Einwohner:innen
Thekenort: Max-Mannheimer-Bürgerhaus
Öffnungszeiten: Jeden Montag 15:30 – 17:00 Uhr
Akteure: Kooperation innerhalb der Gemeinde Poing, Sachgebiete Pädagogik, Senioren
Motivation: Durchführung generationenvernetzender Angebote, die in Jugend- und Seniorenkonzept verankert sind. Schaffung einer Schnittstelle zwischen Jugend und Erwachsenen. Bildung von Synergieeffekten in Bezug zu andere Projektangeboten.
Beratende: Jugendliche über Presse und Aushänge akquiriert.
Besonderheiten: Starke Kooperation innerhalb der Gemeinde.
Herausforderungen: Akquise der Beratenden, Schulungen eintakten, Wartezeiten bei Senior:innen (ungeduldig), vernünftige Sitzordnung finden (um störende Geräusche zu minimieren), Erfordert hohen Personaleinsatz für Organisation (pro Beratungszeit etwa 3h)
Highlight: Generationenvernetzung gelingt auf Projektebene, andere Angebote von Jugend- oder Seniorenarbeit profitieren vom Kontakt, der bei zusammen digital entsteht. So konnten bspw. Jugendliche im Rahmen eines Planspiels für Podcasts auf die Seniorinnen und Senioren als Interviewpartner zugehen. Eine Jugendliche engagiert sich ehrenamtlich in der Seniorenarbeit und backt Kuchen für den wöchentlichen Seniorentreff.
Dank an: Dr. Rolf Bommer, Dr. Maria Heibel, Bayerisches Staatsministerium für Digitales Benedikt Aigner/Aida Bakhtiari, Digitale Hilfe/Medienzentrum München des JFF Mareike Schemmerling, Leitung Praxis Bayern des JFF Kathrin Demmler, Direktorin des JFF — Institut für Medienpädagogik Katharina Jäntschi, Marcel Floßmann, JFF — Institut für Medienpädagogik Marina Aleksandrova, Stellvertretend für die Verwaltung des JFF
Inhalt (Text und Grafiken), soweit nicht anders gekennzeichnet, lizenziert unter Creative Commons Namensnennung 4.0 International (CC BY 4.0, Lizenztext). Ausnahme bilden die Fotos bei denen Personen erkennbar sind. Oktober 2025.
Zitationsvorschlag Binici, E.; Kupser, T. (2025): „zusammen digital“ – Anleitung und Praxis zum Aufbau einer Beratungstheke für mehr digitale Teilhabe. https://zusammen-digital.de/anleitung-praxis, (aktuelles Datum), München: JFF — Institut für Medienpädagogik.
„zusammen digital“ ist ein Projekt vom JFF — Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Digitales.